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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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am Boden lagen Heu und Wäschestücke verstreut, und Rumpler und Bumpler saßen mit Holzschuhen, die eigentlich nur im Stall erlaubt waren, und mit ihrem schmutzigen Arbeitsgewand am Küchentisch. Mit vollem Mund nickten sie Anna zu. Auf dem Herd stapelte sich gebrauchtes Geschirr und unter dem Tisch rekelte sich eine grau gestreifte Katze, die gerade ihre Jungen säugte. Anna verschlug es die Sprache.
    Doch im oberen Stockwerk, in das Anton sie nun führte, sah es nicht viel besser aus. Sie betraten ein großes Zimmer mit drei Fenstern, wohl das frühere Schlafzimmer von Antons Eltern. Spinnweben hingen in den Ecken, es roch nach Moder und die Fensterscheiben waren blind vor Schmutz, sodass die Vorhänge eigentlich überflüssig geworden waren.
    »Also hier muss sich einiges ändern, wenn ich bleiben soll«, war Annas trockener Kommentar. »Sag das deinen Brüdern.« Dann öffnete sie alle Fenster und begann, das Bett mit Wäsche aus einem der Schränke frisch zu überziehen. »Fürs Erste werde ich nicht in den Stall gehen, ihr seid ja zu dritt, sondern das Haus von oben bis unten in Ordnung bringen.« Und mit diesen Worten schob sie Anton zur Tür hinaus, verriegelte sie und schlüpfte mit Johanna bei offenen Fenstern in das frisch gemachte Bett, in dem sie beide sofort fest einschliefen.
    Sie wurde von einem infernalischen Lärm aus dem Nebenzimmer geweckt. Wie sich herausstellte, war es das Geschnarche von Rumpler und Bumpler, die wohl einen ›Sängerwettstreit‹ austrugen. Am liebsten wäre sie sofort wieder nach Hause zurückgekehrt. Doch diese Schande wollte sie sich und ihren Eltern ersparen. Sie scheute sich nicht vor der Arbeit, die jetzt auf sie zukam. Flink zog sie Johanna an und brachte diese zu ihrer Mutter, die erst einmal untertags für die Kleine sorgen sollte, bis das Haus einigermaßen in Ordnung gebracht war. Zurück auf dem Bergmann’schen Hof legte sie los.
    Und tatsächlich – es war weniger die Arbeit, die ihr große Mühe bereitete, als vielmehr Rumpler und Bumpler, die sich inzwischen in ihrem eigenen Dreck eingerichtet hatten und murrten und schimpften, als ihre gewohnte Umgebung sich so veränderte. Nicht selten kam es auch zu Auseinandersetzungen mit ihrem eigenen Bruder, da sie sich in ihrer Ruhe und Eintönigkeit gestört fühlten. Anna kümmerte das alles wenig. »Ich kann ja wieder gehen«, lautete ihr Spruch, mit dem sie regelmäßig Anton dazu brachte, sich bei seinen beiden ›Hausschweinen‹ durchzusetzen. Seine Angst, er könnte sie wieder verlieren, war ihr größtes Druckmittel.
    Nachdem Dreck und Unordnung beseitigt waren, strichen sie das Haus innen neu, Möbel wurden umgestellt, die Vorhänge gewaschen und zum Teil abgeändert und schließlich allerhand Neues angeschafft. Bald war das Haus nicht mehr wiederzuerkennen, aus dem Saustall war eine schmucke Bleibe geworden. Und alles, oder das meiste zumindest, war Annas Werk. Sie war stolz darauf, was sie in der kurzen Zeit bis zum Advent geschafft hatte.
    Einhergehend mit dieser großen Veränderung hatten sich auch Rumpler und Bumpler gemacht. Sie hatten ihre Freude an der kleinen Johanna gefunden und spielten oft stundenlang mit ihr. Dabei behandelten sie das Kind überraschend feinfühlig, feinfühliger jedenfalls, als Johanna mit den beiden umsprang. Sie zog an ihren wuschligen Haaren und den langen Bärten, sie schrie und tobte, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging, und machte oft kaputt, was die beiden für sie angefertigt hatten. Anna hatte selten geduldigere und liebevollere Spielgefährten erlebt als diese beiden alten Männer.
    Anton ging sie aus dem Weg. Sie hatten sich angewöhnt, nur das Nötigste miteinander zu reden. Manchmal verhielt er sich inzwischen sogar richtig bockig und beleidigt, denn so hatte er sich das Leben mit seiner Zukünftigen nicht vorgestellt. Anna verbrachte die Tage um Weihnachten herum in sehr melancholischer Stimmung. Immer wieder hing sie ihren Tagträumen nach und je tiefer sie sich in ihnen verlor, desto klarer wurde ihr, dass sie nie wieder in ihrem Leben so glücklich werden würde wie damals mit Daniel. Mit dieser Tatsache musste sie sich wohl oder übel abfinden.
    Pünktlich am elften März, Johannas Geburtstag, hielt Anton um Annas Hand an. Es war eine ziemlich nüchterne Angelegenheit. Er erwartete sie oben auf dem Gang, als sie Johanna nach dem Mittagessen zu Bett gebracht hatte, schaute ihr fest in die Augen und stellte ohne Umschweife seine Frage.
    »Willst du meine

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