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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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Nacht ›zur Sache‹, die beiden konnten gar nicht genug voneinander bekommen. Aber die nächste Periode kam und auch die übernächste, so sicher wie das Sonntagsläuten.
    Als die Menstruation dann endlich ausblieb, konnte sie es erst gar nicht glauben. Sie behielt es fast ein Vierteljahr für sich, bis sie ganz sicher war. Dann rannte sie freudestrahlend zu ihrem Mann, der gerade das Brennholz für den Winter hackte und die Scheite vor der Stallwand aufschichtete.
    »Engelbert, ich bin in guter Hoffnung!« Vor lauter Glück warf sie sich ihm an den Hals und hätte fast geweint.
    »Wir bekommen ein Kind?« Engelbert klang weit weniger begeistert, als sie es war. Aus seiner Sicht musste das ja mal passieren, doch so schnell hätte es für sein Gefühl nicht passieren müssen.
    »Ja, ich bin schon im vierten Monat. Im Frühling sind wir zu dritt, ist das nicht herrlich? Freu dich doch auch ein bisschen!«
    »Das kommt nur so überraschend«, erwiderte Engelbert und griff nach der Axt.
    Den ganzen Winter über war Johanna damit beschäftigt, Babywäsche zu nähen und kleine Kittelchen zu häkeln und zu stricken. Als ihre Mutter die Neuigkeit erfuhr, freute sie sich für ihre Tochter, dass in der Ehe alles so gut zu laufen schien. Auch sie fing an, alles so für das Kind vorzubereiten, als sei es ihr eigenes.
    In den ersten Monaten des neuen Jahres wurde Johanna immer rundlicher, was Engelbert gar nicht zu gefallen schien. Aber als er es wagte, ihr gegenüber einmal eine entsprechende Bemerkung zu machen, war sie um die richtige Antwort nicht verlegen.
    »Mein Bauch geht wieder weg – im Gegensatz zu den Bierbäuchen der Mannsbilder!«
    Nur konnte sie damit ihren Mann nicht aufziehen, denn der hatte noch nicht einmal den Ansatz eines Bauches, so eitel wie er war. Und Alkohol trank er eigentlich nur am Sonntag und dann reichte ihm meistens eine Halbe Bier zum Essen oder beim Kartenspielen.
    Johanna war glücklich, das sah man ihr an. So, wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte, wirtschaftete sie ordentlich und sparsam und auch damit konnte sie Engelbert immer wieder beeindrucken. Ein kleiner Hinweis auf die Geschichte mit dem Misthaufen genügte, um sie beide zum Lachen zu bringen und ihn daran zu erinnern, welch gute Wahl er getroffen hatte.
    Am vorletzten Märztag des Jahres 1898 kam ihr erster Sohn zur Welt. Johanna war gerade auf dem Feld und ebnete Maulwurfshaufen mit einem Rechen ein, als ohne Vorwarnung die Wehen einsetzten. Sie musste sich beeilen, sonst würde sie das Kind unterwegs verlieren. Doch immer wieder musste sie auf dem Weg nach Hause anhalten. Gekrümmt vor Schmerzen blieb sie auf den Holzrechen gestützt stehen, dann ging es wieder ein Stück. Bald konnte sie an nichts anderes mehr denken, als sich hinzulegen und die Schmerzwellen, die durch ihren Leib gingen, in den Griff zu bekommen, ihnen zumindest einen Rhythmus aufzuzwingen, der die Geburt einleitete. Viel zu langsam und mit letzter Anstrengung schaffte sie es bis zur Haustür, dann löste sich plötzlich etwas zwischen ihren Beinen, sie spürte noch, wie das Fruchtwasser aus ihr herausschoss – dann wurde sie ohnmächtig.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie in ihrem Bett, Engelbert, der sie vor der Eingangstür aufgefunden und auch für alles Folgende sein Bestes gegeben haben musste, stand vor ihr und reichte ihr ein schreiendes Stoffbündel. Und wie es schrie!
    Sie legte das Kleine in ihre Armbeuge, alle Schmerzen waren auf einen Schlag vergessen, nur etwas matt fühlte sie sich noch und sagte zu ihrem Mann: »Wenn das kein Geschenk des Himmels ist, jetzt weiß ich, wie schnell die Kinder kommen.« Und zu ihrem kleinen Sohn meinte sie: »Schrei nicht so, du wirst ja bald einen Spielkameraden bekommen, das verspreche ich dir.«
    Engelbert glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Wollte seine Frau tatsächlich, dass das jetzt so weiterging? Und wo würde er bei dem Ganzen bleiben, wenn sich alles nur noch um die Kinder drehte? Seine Befürchtungen waren nicht grundlos, denn kaum hatte der kleine Max, wie sie ihn genannt hatten, an der Brust der Mutter getrunken und ließ auch nur einen winzigen Quäker, das mindeste Bäuerchen oder die leiseste Blähung hören, schon wurde er aus seinem Bettchen genommen, im Zimmer herumgetragen und von vorne bis hinten von seiner Mutter verwöhnt. Noch schlimmer wurde es, wenn Anna zu Besuch war. Nicht etwa verlagerte sich dann ein Teil der Aufmerksamkeit von Johanna wieder auf ihren Mann zurück – dem

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