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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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gezogen und es im Nacken streng zu einem Knoten zusammengesteckt. Auf dem Kopf trug sie ein einfaches weißes Kränzchen aus künstlichen Blüten. Klein und zierlich, wie sie war, reichte sie ihrem Zukünftigen gerade bis zu den Schultern.
    Als Engelbert sie am Hochzeitsmorgen wie verabredet mit seinem Zweispänner in Hüttenberg abholte, konnte Johanna ihn schon von weitem mit seinen beiden schwarzen Pferden den Berg hochfahren sehen. Sie staunte nicht schlecht, als er in seinem schwarzen Gehrock mit weißem Hemd und einer schwarzen Schleife vor ihr stand. Der schwarze Zylinder auf seinem Kopf ließ ihn noch größer erscheinen, als er ohnehin war.
    Engelbert erfasste sogleich, welch einen Eindruck sein Äußeres auf Johanna gemacht hatte – ihr hatte es regelrecht die Sprache verschlagen.
    »Komm, wir haben uns einen Tag wie im Bilderbuch ausgesucht«, bemerkte er gut gelaunt und hob Johanna wie eine Puppe auf die Kutsche.
    »Wir sehen uns dann am Nachmittag wieder«, verab schiedete sich Johanna von den Beslerkindern, die die Szene mit offenen Mündern bestaunten. »Jetzt fahren wir als Erstes nach Sonthofen aufs Standesamt. Die Kirche ist ja erst morgen.«
    Dann ging es den Hügel hinunter und über Sigishofen nach Sonthofen, wo Engelbert zuerst einen Blumenladen ansteuerte. Er kam mit einem Strauß weißer und rosa Nelken wieder aus dem Laden, im Schlepptau hatte er die Verkäu ferin, die nun drei längere Rosmarinzweige, die mit einer Nelke und einer weißen Schleife zusammengehalten wurden, an Engelberts rechter Hüfte befestigte. An Johannas Kleid steckte sie in Taillenhöhe ein identisch aussehendes Gebinde fest.
    »Das wird euch Glück bringen«, versicherte sie dem Hochzeitspaar lachend bei der Abfahrt.
    Die Kutsche wurde beim Gasthof Krone abgestellt, dann schritten sie zusammen zum Standesamt hinauf. Dem Beamten fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er den Bauernburschen in Gehrock und Zylinder vor sich sah. Die Trauzeugen, zwei von Engelberts Brüdern, warteten schon. Auch sie waren in schönen neuen Anzügen erschienen. Nach der standesamtlichen Zeremonie ging es in die Krone, wo die restliche Hochzeitsgesellschaft schon Platz genommen hatte. Die Brautleute waren freudig überrascht, als sie in der Gaststube Engelberts Vater, Johannas Mutter und eine von Johannas Tanten inmitten einer angeregten Unterhaltung vorfanden.
    »Ja, so etwas.« Engelbert war sichtlich erfreut, seinen alten Vater, der kaum noch das Haus verließ, in einer geselligen Runde mit zwei Frauen und offensichtlich bestens gelaunt anzutreffen. Und Johanna hatte ihre Mutter eigentlich nur zur kirchlichen Trauung erwartet. Dass sie inzwischen wieder etwas weniger menschenscheu war, gefiel der Tochter gut.
    »Esst und trinkt, was ihr könnt«, rief Engelberts Vater in die Runde. »So jung wie huit kummat mir numma zämmet.«
    Alle folgten seiner Aufforderung, nur Engelbert wollte nach dem Essen nicht zu lange bleiben.
    »Komm mit«, flüsterte er Johanna ins Ohr. »Ich habe noch eine Überraschung für dich.«
    Sie verabschiedeten sich schnell und ließen die anderen weiter feiern, dann ging es zu Fuß durch den Ort. Nachdem sie die Bäckerei Hämmerle, den Uhrmacher Waibel und das Schuhhaus Lacher hinter sich gelassen hatten, fragte sich Johanna, wo Engelbert eigentlich mit ihr hinwollte. Auch am Kolonialwarengeschäft von Josef Lechthaler schlenderten sie vorüber, dann ließen sie die Wagnerei von Adolf Mangold links liegen und genauso das Eisenwarengeschäft Schöb.
    »Jetzt sag schon, wo gehen wir eigentlich hin?« Johanna platzte inzwischen vor Neugier.
    »Das wirst du gleich sehen«, meinte Engelbert geheimnisvoll und zog sie mit sich in das Fotohaus Heimhuber, das vor Kurzem eröffnet hatte und von dem jetzt alle sprachen. Johanna hatte sich noch nie fotografieren lassen und sie kannte auch außer ihrer Mutter niemanden, der das bereits getan hatte. Aufgeregt folgte sie Engelbert in das kleine Studio. Natürlich wollte sie besonders schön sein für das Foto. Ein Spiegel half, sie überprüfte nochmals ihr Äußeres, dann trat sie am rechten Arm ihres zukünftigen Mannes vor die Kamera. Engelbert musste den Zylinder vom Kopf nehmen, sonst hätte der Fotograf ihn nicht ganz aufs Bild gebracht.
    »Sie sind halt ohne Hut schon fast zu groß, Herr Bietsch«, lachte er. »Aber jetzt hat alles geklappt, nächste Woche können Sie die Bilder abholen.«
    Beim anschließenden Kauf der Hochzeitsringe durfte sich Johanna als Geschenk von

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