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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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rebellieren, all diese furchtbaren Halluzinationen und Entzugs-Agonien, so wie es ihnen der von Polizisten erdachte Mythos vorausgesagt hatte.« Er lächelte sarkastisch »Weißt du, manchmal denke ich, dass es da eine frappierende Parallele zum Langzeit-Effekt der Kriegspropaganda über die Deutschen gibt. Im Zweiten Weltkrieg haben sie all die Greueltaten begangen – und noch mehr –, deren man sie im Ersten Weltkrieg – zumeist zu Unrecht – angeklagt hatte. Ich hasse diese Erkenntnis, aber ich habe gelernt, dass die Menschen immer versuchen, die schlimmsten Erwartungen zu erfüllen.«
    Gun setzte hinzu: »Das Hippie-Ära-Analogon zur SS ist die Manson-Familie.«
    »Auf jeden Fall«, fasste Saul zusammen, »ist es das, was ich gelernt habe, als ich mitten in der Nacht durch Hashbury rannte und den verdammten Blumenkindern Thorazin per anum verpasste. Ich konnte und durfte nicht spritzen, weil ich noch kein ausgebildeter Pfleger war.«
    »Damals haben Saul und ich uns getroffen«, sagte Gun.
    »Aber ich habe Gun kein Thorazin in den Hintern geschoben«, stellte Saul sofort klar, »– es wäre auch zu romantisch gewesen –, sondern einem Freund von ihm, der eine Überdosis genommen hatte und ihn anrief. Gun rief dann uns zu seinem Freund. So haben wir uns kennen gelernt.«
    »Mein Freund hat sich sehr schnell erholt«, erklärte Gun.
    »Und wo habt ihr beiden Cal kennen gelernt?« fragte Franz.
    »Hier. Als sie eingezogen ist«, sagte Gun.
    »Zuerst hatten wir nur das Gefühl, als ob sich eine wohltuende Stille über uns gesenkt hätte«, sagte Saul nachdenklich. »Denn der Vormieter ihres Apartments war außergewöhnlich laut gewesen, selbst für dieses Gebäude.«
    Gun sagte: »Und dann war es uns, als ob eine sehr stille, aber musikalische Maus in unsere Gemeinschaft gekommen wäre. Wir gewöhnten uns daran, Flötenmusik zu hören, doch sie war so leise, dass wir nicht sicher waren, ob wir sie uns nicht nur einbildeten.«



»Zur selben Zeit«, sagte Saul, »begannen wir diese attraktive, schweigsame, sehr höfliche junge Dame zu bemerken, die immer allein war und die Lifttüren immer sorgsam und lautlos schloss.«
    Gun sagte: »Und dann, eines Abends, gingen wir ins Veterans Building, um ein Beethoven-Quartett zu hören. Sie war ebenfalls unter den Zuhörern, und wir haben uns ihr vorgestellt.«
    »Und als das Konzert zu Ende war, waren wir Freunde«, setzte Saul hinzu.
    »Und am nächsten Wochenende halfen wir ihr bei der Einrichtung ihres Apartments«, schloss Gun. »Es war, als ob wir uns seit Jahren gekannt hätten.«
    »Oder zumindest, als ob sie uns seit Jahren gekannt hätte«, qualifizierte Saul. »Wir brauchten eine ganze Weile länger, um etwas über sie zu erfahren – was für ein unglaublich überbeschütztes Leben sie geführt hatte, von ihren Schwierigkeiten mit ihrer Mutter …«
    »Wie hart sie der Tod ihres Vaters getroffen hatte …«, warf Gun ein.
    »Und wie entschlossen sie war, ihr Leben aus eigener Kraft aufzubauen, und …« – Saul zuckte die Achseln – »… und ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln.« Er blickte Franz an. »Wir brauchten sogar noch länger, bis wir entdeckten, wie empfindlich dieses Mädchen unter ihrer kühlen, kompetenten Fassade war.«
    Franz nickte und fragte dann Saul: »Und jetzt willst du mir sicher die Geschichte von ihr erzählen, die du dir bis jetzt aufgespart hast, nicht wahr?«
    »Woher weißt du, dass es eine Geschichte über sie ist?« fragte Saul verwundert.
    »Weil du ihr einen raschen Blick zugeworfen hast, bevor du dich entschlossen hast, sie nicht im Restaurant zu erzählen«, sagte Franz, »und weil du mich erst eingeladen hast, als du sicher warst, dass sie nicht auch kommen würde.«
    »Ihr Schriftsteller seid verdammt clever«, bemerkte Saul. »Nun, es ist auch zufällig eine Schriftsteller-Story, eines Schriftstellers von deiner Art – der Sorte, die übernatürliche Horrorstories schreibt. Dein Trip zu den Corona Heights hat mir den Anstoß gegeben, sie dir zu erzählen. Sie handelt vom gleichen Reich des Unbekannten, aber von einem anderen Land in diesem Reich.«
    Franz wollte sagen: »Das habe ich erwartet«, aber er ließ es.

 
10
     
    Saul steckte sich eine Zigarette an und lehnte seinen Rücken gegen die Wand. Gun saß auf dem anderen Ende der Couch, Franz den beiden gegenüber auf einem Lehnstuhl.
    »Schon sehr früh«, begann Saul, »erkannte ich, dass Cal großes Interesse an meinen Patienten im Krankenhaus hatte. Nicht,

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