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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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bekommen. Es war wirklich wunderbar – die gleiche Wirkung, wie sie der Alkohol hatte, als ich zum ersten Mal betrunken war – ein Gefühl, das ich später nie wieder gehabt habe, angenehm, dieses warme, rosige Glühen …«
    Saul nickte. »Es ist dieselbe Wirkung wie Alkohol, aber ohne die chemischen Systeme so stark zu belasten. Deshalb spricht ein Mensch, der vom Alkohol ausgelaugt ist, besonders gut darauf an. Aber es kann natürlich ebenfalls süchtig machen, wie du sicher weißt. Mögt ihr einen Kaffee? Ich habe allerdings nur gefriergetrockneten.«
    Während Saul Wasser aufsetzte und braune Kristalle in farbige Becher löffelte, sagte Gun: »Aber würdest du nicht auch sagen, dass der Alkohol das natürliche Rauschgift der Menschheit ist, mit dem sie Tausende von Jahren Erfahrung hat, das sie genau kennt, an das sie sich gewöhnt hat.«
    »Auf jeden Fall Zeit genug«, kommentierte Saul, »um alle Italiener, Griechen, Juden und andere Mediterranier, die eine besonders große genetische Anfälligkeit für Alkohol hatten, umzubringen. Die Indianer und Eskimos haben nicht so viel Glück gehabt. Bei denen dauert dieser Eliminationsprozeß noch an. Und Hanf und Peyote und Mohn und Pilze haben ebenfalls eine ziemlich lange Geschichte.«
     
    »Ja, aber damit kommst du jetzt in die psychedelische, Bewusstseins-Verzerrende – nach meiner Auffassung, andere sagen -erweiternde – Sparte«, protestierte Gun. »Der Alkohol hat eine direktere, ehrlichere Wirkung.«
    »Ich habe auch durch Alkohol Halluzinationen gehabt«, sagte Franz in partiellem Widerspruch, »wenn auch keine so extremen, wie man sie von LSD bekommt, wie ich gehört habe. Aber nur bei der Entwöhnungskur seltsamerweise, während der ersten drei Tage. In Schränken und dunklen Ecken und unter Tischen – niemals in hellem Licht – habe ich diese schwarzen und manchmal auch roten Drähte gesehen, ungefähr so dick wie Telefonschnüre, und sie vibrierten und peitschten umher … Ich musste immer an riesige Spinnenbeine denken. Aber ich wusste, dass es Halluzinationen waren – und deshalb konnte ich sie – und mich – im Griff behalten, Gott sei Dank. Helles Licht brachte sie immer sofort zum Verschwinden.«
    »Entwöhnung ist eine komische und manchmal nicht ungefährliche Angelegenheit«, bemerkte Saul, während er kochendes Wasser in die Becher goss. »Das ist die Phase, in der Trinker das Delirium tremens bekommen, nicht, wenn sie trinken. Das weißt du sicher genauso gut wie ich. Aber die Gefahren und Agonien bei der Entziehung harter Drogen sind maßlos übertrieben worden – das gehört zum Mythos. Ich habe das erfahren, als ich in den großen Tagen von Haight-Ashbury als paramedizinischer Helfer arbeitete, bevor ich Krankenpfleger wurde, und Hippies, die eine Überdosis erwischt hatten – oder glaubten, eine erwischt zu haben – Thorazin gab.«
    »Wirklich?« fragte Franz und nahm den Kaffeebecher, den Saul ihm reichte. »Ich habe immer gehört, dass bei der Entwöhnung von Heroin cold turkey das Schlimmste ist.«
    »Ein Teil des Mythos«, versicherte Saul und schüttelte seine lange Mähne, als er Gun seinen Becher Kaffee reichte. »Der Mythos, den Anslinger mit soviel Mühe in den dreißiger Jahren ins Leben rief, als all die Burschen, die durch die Überwachung der Prohibition groß geworden waren, versuchten, sich ähnlich lukrative Jobs bei der Rauschgiftbekämpfung aufzubauen, als er nach Washington fuhr, in Begleitung von zwei Veterinären, die etwas vom Doping von Rennpferden verstanden, und mit einer Aktentasche voll sensationell aufgemachter Artikel mexikanischer und mittelamerikanischer Zeitungen über Morde und Vergewaltigungen, die von Peons angeblich unter dem Einfluss von Marihuana begangen worden sein sollten.«
     
    »Eine ganze Reihe von Schriftstellern sind ihm damals nachgelaufen«, erklärte Franz. »Der Held ihrer Stories nahm nur einen Zug von einer fremdartigen Zigarette und hatte sofort die wildesten Halluzinationen, meistens im Zusammenhang mit Sex und Blutvergießen. He! Vielleicht könnte ich eine Episode von Unheimlicher Untergrund vorschlagen, bei der Drogen eine Rolle spielen«, setzte er nachdenklich hinzu, mehr für sich selbst als zu den anderen. »Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.«
    »Und die Agonien des cold turkey-Entzuges waren Teil dieses Mythos-Bildes«, fuhr Saul fort, »und deshalb hatten die Beatniks und Hippies, die zu Drogen griffen, um gegen das Establishment und die Vätergeneration zu

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