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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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erotischen Praktiken einführte und sein Verständnis für Kultur und Kunst stark erweiterte.
    Aber wie dem auch sei, fest steht, dass de Castries zu dem Zeitpunkt, als er in der Stadt am Golden Gate eintraf, ein bisschen wie der Satanist Anton La Vey wirkte (der für eine Weile einen mehr oder weniger zahmen Löwen hielt; haben Sie das gewusst?), aber im Gegensatz zu La Vey hatte er kein Verlangen nach der üblichen Art von Publizität. Er suchte eher nach einer Elite von schillernden, freigeistigen Menschen mit einem Lebenshunger der wildesten Art – und wenn sie dazu noch einen Haufen Geld hatten, war das durchaus kein Fehler.
    Und natürlich hat er sie gefunden! Den prometheischen (und dionysischen) Jack London. George Sterling, Fantasy-Dichter und romantisches Idol, Favorit der wohlhabenden Clique des Bohemian Club. Seinen Freund, den brillanten Strafverteidiger Earl Rogers, der später Clarence Darrow verteidigte und dessen Karriere rettete. Ambrose Bierce, einen verbitterten, alten Adler, Autor des Devil’s Dictionary und hervorragend spannender Horror-Geschichten. Die Dichterin Nora May French. Die berglöwenhafte Charmian London. Gertrude Atherton … Und das waren nur die bedeutendsten.
    Und natürlich stürzten sie sich begeistert auf de Castries. Er war genau die Art abseitiger Typ, den sie (und besonders Jack London) liebten: mysteriöse, kosmopolitische Herkunft, münchhausiadische Anekdoten, unheimliche und alarmierende wissenschaftliche Theorien, eine starke antiindustrielle Einstellung und ein (wie wir es nennen würden) Anti-Establishment-Vorurteil, apokalyptische Aura, ein Anflug von Verdammnis und dunkler Mächte – er hatte das alles! Für eine ganze Weile war er ihr Favorit, ihr Lieblings-Guru, beinahe (und ich bin überzeugt, dass er selbst sich so sah) ihr neuer Gott. Sie kauften sogar sein neues Buch und hörten ihm zu (und tranken), wenn er ihnen daraus vorlas. Selbst Egozentriker wie Bierce ertrugen ihn, und London überließ ihm für eine Weile die Hauptrolle – er konnte es sich leisten. Und alle waren sie (theoretisch) bereit, seinem Traum eines Utopia zu folgen, in der megapolitanische Gebäude verboten waren (zerstört oder irgendwie gezähmt) und sie selbst die aristokratische Elite und führenden Geister des Ganzen.
    Natürlich fühlten sich die meisten der Damen sehr stark von ihm angezogen, und einige von ihnen waren mehr als bereit, mit ihm ins Bett zu gehen, und scheuten sich nicht, dabei die Initiative zu übernehmen – es waren die dramatischen und emanzipierten Frauen jener Ära, müssen Sie wissen –, es gibt jedoch keinerlei Beweise dafür, dass er mit einer von ihnen eine Affäre hatte. Anscheinend hat er immer, wenn es soweit war, zu der betreffenden Dame gesagt: ›Meine Liebe, es gibt wirklich nichts, was ich lieber täte, ehrlich, aber ich muss Ihnen beichten, dass ich eine sehr gewalttätige und eifersüchtige Geliebte habe, und wenn ich auch nur wagte, mit Ihnen zu flirten, würde sie mir im Bett die Kehle durchschneiden oder mich im Bad erdolchen‹ (er war ein wenig wie Marat, müssen Sie wissen, und wurde ihm in seinen späteren Jahren immer ähnlicher), ›ganz abgesehen davon, dass sie Ihnen, meine Liebe, Salzsäure in Ihr hübsches Gesicht schütten oder eine Hutnadel in diese verführerischen Augen stechen würde. Sie ist überaus belesen und gebildet, besonders auf dem Gebiet des Übersinnlichen, aber sie ist eine Tigerin.‹



Er hat für sie wirklich diese – erfundene? – Frau aufgebaut, wie mir berichtet wurde, bis es manchmal nicht mehr klar war, ob sie eine wirkliche Frau, eine Göttin oder ein metamorphosisches Wesen war. ›Sie ist ein erbarmungsloses Nachttier‹, sagte er manchmal, ›doch von einer Weisheit, die bis auf Ägypten zurückgeht, und noch weiter – und die mir unersetzlich ist. Denn sie ist meine Spionin, die ich auf Gebäude ansetze, müssen Sie wissen, meine Agentin für metropolitane Megastrukturen. Sie kennt ihre Geheimnisse und ihre verborgenen Schwächen, ihre schwerfälligen Rhythmen und dunklen Gesänge. Sie ist meine Königin der Nacht, Mutter der Finsternis, unsere Herrin der Dunkelheit.‹«
    Während Byers diese letzten Worte de Castries’ mit dramatischem Tonfall vortrug, fiel Franz ein, dass die ›Mater Tenebrarum‹ eine von de Quinceys Müttern der Trauer war, und zwar die dritte und jüngste der Schwestern, die sich stets mit einem Schleier verhüllte. Hatte de Castries das gewusst? Und war diese Königin der

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