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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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absoluten Gehorsam – und das scheint die nächste Forderung gewesen zu sein, die er an seine Akolyten im Hermetischen Orden der Onyx-Dämmerung stellte. Einer von ihnen mochte, zum Beispiel, den Befehl erhalten, zu einer bestimmten Zeit zu einer bestimmten Adresse in San Francisco zu gehen und dort nur zwei Stunden lang zu stehen, alles Denken abzuschalten, oder sich auf einen einzigen Gedanken zu konzentrieren. Oder er – oder sie – bekam den Auftrag, einen Kupferbarren, oder einen kleinen Karton mit Kohlen, oder einen mit Wasserstoffgas gefüllten Kinderballon in ein bestimmtes Stockwerk eines bestimmten Hochhauses zu bringen und dort zurückzulassen (den Ballon an der Decke). Anscheinend sollten diese Elemente als Katalysatoren wirken. Oder zwei oder drei von ihnen bekamen die Order, sich im Foyer eines bestimmten Hotels oder auf einer Parkbank zu treffen und dort eine halbe Stunde lang beieinander zu sitzen, ohne ein Wort zu sprechen. Und von jedem – und jeder – seiner Mitverschworenen wurde erwartet, jeden Befehl ohne Frage und unverzüglich in allen Details auszuführen; anderenfalls wurden sie – wie ich vermute – sadistischen Strafen im Carbonari-Stil unterworfen.
    Hochhäuser und andere große Gebäude waren stets die Hauptziele seiner Megapolisomancy. Er behauptete, dass sie die Konzentrations-Punkte für Stadt-Material seien, wie er es nannte, von dem die großen Städte vergiftet oder unerträglich überlastet würden. Zehn Jahre früher soll er angeblich der Vereinigung von Parisern angehört haben, die sich der Errichtung des Eiffel-Turms widersetzten. Ein Mathematik-Professor hatte errechnet, dass die Konstruktion unter ihrer eigenen Last zusammenbrechen musste, wenn sie die Höhe von siebenhundert Fuß erreicht hatte, Thibaut aber behauptete schlicht und einfach, dass diese Masse nackten Stahls, die von allen Punkten der Stadt aus zu sehen wäre, ganz Paris zum Wahnsinn treiben würde. (Und wenn man spätere Ereignisse und Entwicklungen in Betracht zieht, Franz, so bin ich der Ansicht, dass er vielleicht gar nicht so unrecht hatte. Die beiden Weltkriege sind wie Heuschreckenplagen durch übergroße Konzentration von Lebewesen, von Menschen, ausgelöst worden, die ihrerseits durch das Fieber der Bauwut hervorgerufen wurden. Ist das so abwegig?) Aber da Thibaut wusste, dass er die Errichtung von Hochhäusern nicht verhindern konnte, wandte er sich dem Problem ihrer Kontrolle zu. In gewisser Weise hatte er die Mentalität eines Tierbändigers – vielleicht von seinem Afrika-erfahrenen Vater ererbt?
    Thibaut schien zu glauben, dass es eine Art mathematischer Formel gab – oder dass er eine solche gefunden hatte –, durch die menschliches Denken und große Gebäude (und paramentale Wesen?) manipuliert werden konnten. ›Neo-pythagoräische Metageometrie‹ nannte er sie. Es sei lediglich eine Frage, die richtigen Zeiten und Orte zu kennen, behauptete er, (und zitierte Archimedes: ›Gebt mir einen festen Standort, und ich werde die Welt aus den Angeln heben‹) und dann dort die richtigen Personen (und Gehirne) oder Materialien einzusetzen. Er schien auch zu glauben, dass bestimmte Orte in Großstädten bestimmten Menschen eine begrenzte Gabe des Hellsehens, Stimmenhörens und Vorauswissens ermöglichten. Einmal hat er damit begonnen, Klaas einen einzelnen Fall von Megapolisomancy im Detail zu beschreiben – ihm seine Formel zu geben, sozusagen – wurde dann jedoch misstrauisch.
    Aber es gibt noch eine andere Anekdote über diese megamagische Sache: Ich bin zwar geneigt, ihre Authentizität anzuzweifeln, finde sie jedoch überaus attraktiv. Es scheint, dass Thibaut vorhatte das Hobart Building, oder zumindest eines jener frühen Hochhäuser an der Market Street, durch eine Art ›Warnschütteln‹ zu erschüttern –, ob es dabei eventuell zusammenfallen würde, hinge von der Integrität seiner Erbauer ab, soll der alte Knabe gesagt haben. In diesem Fall waren seine vier Freiwilligen Jack London, George Sterling, eine Octoroon { * } , die Ragtime-Sängerin Olive Church, eine Protegée der alten Voodoo-Königin Mammy Pleasant, und ein Mann namens Fenner.
    Kennen Sie Lotta’s Fountain an der Market Street? – Ein Geschenk Lotta Crabtrees, ›der Perle der Goldfelder‹, die ihre Tanzkunst von Lola Montez lernte (der Meisterin des Spinnentanzes, Gefährtin des geistig umnachteten bayerischen Ludwig, und so weiter) an die Stadt San Francisco. Diesem Brunnen sollten sich die vier Akolyten aus

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