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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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verneigte und einen kryptischen Segen spendete. Die Stelle befand sich dicht unterhalb eines glatten, hockerähnlichen Felsens, den de Castries den Bischofssitz genannt hatte, nach einem ähnlichen in Poes ›Gold Bug‹-Erzählung, und unmittelbar zu Füßen der großen Klippe, die den Gipfel der Corona Heights bildet. Ach, übrigens, da war noch eine Laune de Castries, den sie ihm erfüllt hatten: er wurde in seinem uralten, abgetragenen Bademantel eingeäschert – fahlbraun und mit einer Kapuze.

 
22
     
    Franz’ Augen, die wieder einmal ihre allumfassende Inspektion durchführten, erhielten den Befehl, das Dunkel der Schatten nicht nur nach einem schmalen, fahlen Gesicht mit einer unruhigen Schnauze abzusuchen, sondern auch nach dem habichtartigen, geisterhaften, zerquält und quälend-mordlüsternen Gesicht eines hyperaktiven alten Mannes, der wie etwas aus Dorés Illustrationen zu Dantes Inferno aussah. Da er niemals eine Fotografie von de Castries gesehen hatte – falls es überhaupt welche geben sollte – musste diese Vorstellung ausreichen.
    Sein Verstand war damit beschäftigt, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Corona Heights im wahrsten Sinne des Wortes mit Thibaut de Castries imprägniert waren. Dass er sowohl gestern als auch heute für geraume Zeit den Platz eingenommen hatte, der mit größter Wahrscheinlichkeit der Bischofssitz des Fluches war, und nur ein paar Fuß von der Stelle entfernt, wo in dem harten Boden der essentielle Staub (oder Salz?) und der schwarze Ring vergraben lagen. Wie hieß es in der Cipher von Poes Erzählung? ›Nimm ein gutes Glas auf den Bischofssitz …‹ Sein Glas war zerbrochen, aber er brauchte es kaum für diese kurze Entfernung. Was war schlimmer, Geister oder Paramentale? – oder waren beide dasselbe? Wenn man auf das Erscheinen beider oder eines von ihnen wartete, war das eine ziemlich akademische Frage, ganz gleich, wie viele interessante Probleme über verschiedene Ebenen der Realität durch sie aufgeworfen wurden. Irgendwo, tief in seinem Inneren, wurde er sich bewusst, wütend zu sein – oder vielleicht auch nur streitsüchtig.
    »Schalten Sie ein paar Lampen ein, Donaldus«, sagte er tonlos.
    »Ich muss sagen, dass Sie das alles sehr ruhig aufnehmen«, sagte sein Gastgeber ein wenig enttäuscht, und ein wenig ehrfürchtig.
    »Was sollte ich denn sonst tun? In Panik ausbrechen? Auf die Straße rennen und mich abschießen lassen? Oder mich von einstürzenden Mauern begraben lassen? Oder von herumfliegenden Glassplittern geschnitten zu werden? Ich habe Sie im Verdacht, Donaldus, dass Sie die Enthüllung von der Lage von de Castries’ Grab so lange hinausgezögert haben, damit sie einen größeren dramatischen Effekt hat, und in Befolgung Ihrer Theorie der Identität von Wirklichkeit und Kunst.«
    »Sehr richtig! Sie haben mich verstanden, und ich habe Ihnen gesagt, dass ein Geist auftauchen würde; und wie passend ist das astrologische Graffiti als Thibauts Epitaph, oder Grabschmuck!
     
    Aber ist das alles nicht äußerst seltsam, Franz? Wenn man daran denkt, dass Sie, als Sie zum ersten Mal von Ihrem Fenster aus zu den Corona Heights hinaufblickten, keine Ahnung hatten, dass Thibaut de Castries sterbliche Überreste …«
    »Schalten Sie Licht an«, wiederholte Franz. »Was ich wirklich erstaunlich finde, Donaldus, ist, dass Sie seit vielen Jahren von paramentalen Wesen und von den höchst bedrohlichen Aktivitäten de Castries und den suggestiven Umständen seines Begräbnisses gewusst haben und doch keinerlei Vorsichtsmaßnahmen treffen. Sie sind wie ein Soldat, der unbekümmert im Niemandsland tanzt. Wobei wir uns immer vor Augen halten wollen, dass ich, oder Sie, oder wir beide, absolut wahnsinnig sein könnten. Natürlich haben Sie von dem Fluch erst eben erfahren, falls ich Ihnen in diesem Punkt vertrauen kann. Und Sie haben die Tür verriegelt, als ich ins Haus getreten war. Machen Sie Licht!«
    Byers tat endlich, was Franz von ihm verlangte. Goldfarbenes Licht strömte aus einer riesigen Kugellampe, die über ihnen von der Decke hing. Er stand auf, ging in die Eingangshalle, etwas widerwillig, wie es schien, und schaltete auch dort das Licht ein. Dann kam er ins Wohnzimmer zurück und öffnete eine neue Brandy-Flasche. Die Fenster wurden zu dunklen Rechtecken mit Netzen von Gold. Es war draußen inzwischen völlig dunkel geworden. Aber wenigstens die Schatten im Inneren des Hauses waren nun gebannt.
    »Natürlich können Sie mir

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