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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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zurecht, und sagte: »So, jetzt ist es etwas bequemer für dich. Weißt du, Liebling, du bist jetzt auf zweifache Weise 607 Rhodes«, und er fragte sich ohne wirkliches Interesse, was er damit meinte.
    Er hörte, wie der Lift stoppte und seine Türen aufglitten, doch er hörte nicht, dass er sich wieder in Bewegung setzte. Er wartete angespannt, doch es klopfte nicht an seine Tür, kein Geräusch von Schritten, die sich näherten. Durch die Wand hörte er das leise Knarren einer widerspenstigen Tür, die langsam geöffnet und wieder geschlossen wurde. Und dann war es wieder still.
    Er berührte das Buch The Spider Glyph in Time, das direkt unterhalb des Adressbuches lag. Früher hatte sein ›Studentenliebchen‹ auf dem Bauch gelegen, das Gesicht ins Kissen gedrückt, jetzt lag sie auf dem Rücken. Er überlegte ein paar Sekunden lang (was hatte Lettland gesagt?), weshalb die äußeren weiblichen Genitalien oft als Spinne bezeichnet wurden. Wegen des gekrausten Haarbüschels? Wegen des Spalts, der sich vertikal öffnete, wie die Kiefer einer Spinne, und nicht waagerecht, wie die Lippen eines Menschen oder die Labia der Chinesinnen in den Seemanns-Legenden? Der alte, vom Fieber geschüttelte Santos-Lobos meinte, es ginge auf die weibliche Fähigkeit zurück, geduldig ein Netz zu spinnen.
    Seine sanft streichelnden Finger glitten weiter, zu Knochenmädchen in Pelz (mit Peitsche) – noch mehr von dunkler Haarigkeit, jetzt jedoch die eines weichen Fells (oder weicher Felle, genau genommen), das die Skelett-Mädchen umhüllte – und Âmes et Fantômes de Douleur, der andere Oberschenkel; de Sade (oder sein posthumer Plagiator), des Fleisches müde geworden, hatte sich wirklich Mühe gegeben, den Verstand schreien und die Engel schluchzen zu lassen; sollten die Ghosts of Pain nicht The Agonies of Ghosts heißen?
    Dieses Buch, zusammen mit Sacher-Masochs Knochenmädchen in Pelz (mit Peitsche) ließ ihn daran denken, was für ein Reichtum an Tod sich hier unter seinen Händen befand. Lovecraft, der im Jahr 1937 ziemlich überraschend gestorben war, hatte bis zum letzten Atemzug gearbeitet und sogar von seinen letzten Empfindungen auf dem Sterbebett Aufzeichnungen gemacht. (Hat er dort Paramentale gesehen?) Smith war ein Vierteljahrhundert später langsamer abgetreten, nachdem sein Gehirn von einer Reihe kleiner Schlaganfälle stückweise zerstört worden war. Santos-Lobos war von seinem brennenden Fieber zu einem Stück denkender Schlacke verbrannt worden. Und war auch die spurlos verschwundene Lettland tot? Montague (dessen White Tape das linke Knie seines ›Studentenliebchens‹ bildete) war an einem Emphysem erstickt, während er noch die Fußnoten über unsere an sich selbst erstickende Kultur schrieb.
     
    Tod und Todesangst! Franz dachte daran, wie sehr Lovecrafts The Color of Outer Space ihn deprimierte, als er es in jungen Jahren zum ersten Mal gelesen hatte – das langsame Verfaulen des New England Farmers und seiner ganzen Familie, die von Radioaktivität vom anderen Ende des Universums vergiftet worden waren. Doch gleichzeitig war er auch fasziniert gewesen. Was war denn diese ganze Literatur des übernatürlichen Horrors, wenn nicht ein Essay, um selbst den Tod noch aufregend zu machen? – Spannung und Abseitigkeit bis zum Ende.
    Doch während diese Gedanken noch durch sein Gehirn zogen, spürte er, wie todmüde er war. Müde, deprimiert und morbide – die unangenehmen Aspekte seines Abendbewußtseins, die dunkle Seite der Münze.
    Und um von der Dunkelheit zu sprechen, wo war der Platz unserer Herrin der Dunkelheit in dieser Geschichte? (Suspiria de Profundis bildete das andere Knie, und De Profundis die Wade. »Was hältst du von Lord Alfred Douglas, Liebling? Macht er dich an? Ich bin der Meinung, dass Oscar viel zu gut für ihn war.«) War der Fernsehturm, der dort im Dunkel der Nacht stand, ihre Statue? – er war hoch genug dafür. War die Nacht ihr ›dreifacher Kreppschleier‹? und die neunzehn roten Lampen, von denen sechs regelmäßig blinkten, ›das wilde Licht, das Flackern des Schmerzes‹? Nun, er litt selbst genug, es würde für zwei ausreichen. Warum lachte sie nicht darüber? Komm, gute Nacht, und schlaf gut!
    Er beeilte sich jetzt, sein ›Liebchen‹ zu Bett zu bringen. Professor Nostigs The Subliminal Occult (›Sie haben die Kirliansche Fotografie widerlegt, Doktor, aber ist Ihnen das auch bei den Paramentalen gelungen?‹), die Exemplare von Gnostica (irgendeine Verbindung zu

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