Herrin der Falken - 3
nehmen.« Der MacAran schob wütend das Kinn vor. »Du wagst es, zu sagen, es stehe mir nicht zu, einen in meinen eigenen Ställen auf Falkenhof trainierten Falken zu verschenken? Romilly hat Falken von ihrem versprochenen Gatten bekommen. Sie braucht diesen hier nicht, und du wirst ihn nehmen, oder…« Er beugte sich zu Darren vor. Seine Augen flammten, sein Atem kam und ging in rauhen, harten Stößen. »Oder ich drehe ihm hier vor euch beiden den Hals um! Ich lasse mir in meinem eigenen Falkenhaus keinen Trotz bieten!« Er machte eine Geste, als wolle er seine Drohung auf der Stelle ausführen. Romilly schrie auf. »Nein! Nein, Vater – bitte, nein! Darren, laß das nicht zu. Nimm den Falken, es ist besser, du bekommst ihn.“
Darren holte zitternd Atem. Er befeuchtete die Lippen mit der Zunge und setzte sich den Falken auf dem Arm zurecht. Mit schwankender Stimme sagte er: »Nur weil du mich darum bittest, Romilly. Nur deswegen, das kannst du mir glauben.“
Romillys Augen brannten. Sie wandte sich ab und nahm einen der winzigen, nutzlosen Falken auf, die Dom Garris ihr geschenkt hatte. In diesem Augenblick haßte sie sie, diese dummen Dinger mit den kleinen Gehirnen. Ja, sie waren schön und elegant ausstaffiert, aber doch nur Ornamente, bedeutungslose Schmuckstücke, ebensowenig richtige Falken wie eins von Raels hölzernen Spielzeugen! Aber sie konnten nichts dafür, die armen Kleinen, daß sie nicht Preciosa waren. Ihr Herz sehnte sich nach Preciosa, die nervös auf Darrens linkischem Handgelenk hockte.
Mein Falke. Meiner. Und jetzt wird dieser Idiot Darren sie vergrämen… ah, Preciosa, Preciosa, warum mußte uns das geschehen? Sie haßte auch ihren Vater und Darren, der Preciosa unbeholfen von seinem Handschuh auf den Sattelblock setzte. Romilly stieg auf. Tränen verschleierten ihre Sicht. Ihr Vater hatte nach seinem großen knochigen Grauen gerufen; er wolle mit ihnen reiten, sagte er ergrimmt, und dafür sorgen, daß Darren richtig mit dem Falken umgehe. Und wenn er es nicht tue, werde er es lernen wie damals das Alphabet, das ihm mit des MacAran eigener Reitpeitsche eingebleut worden sei! Sie ritten den Pfad hinunter, der von Falkenhof ins Tal führte. Alle drei schwiegen; es war ihnen elend zumute. Romilly war die letzte in der Reihe. Mit offenem Haß starrte sie auf ihren Vater, auf Darrens Sattel, wo Preciosa unruhig hockte. Sie sandte Preciosa ihr Bewußtsein, ihr Laran zu – da das Wort einmal benutzt war –, doch der Falke war zu erregt. Romilly empfing von ihm nur Verwirrung und Haß, einen rötlich gefärbten Haß, der auch ihre Gedanken so aufwühlte, daß sie sich nur mit Mühe im Sattel halten konnte. Viel zu schnell erreichten sie die große offene Wiese, wo sie an jenem Tag ihre Falken hatten fliegen lassen. Nur war damals Alderic bei ihnen gewesen, ein freundliches Gesicht und helfende Hände, nicht ihr wutschnaubender Vater. Ungeschickt nahm Darren Preciosa die Haube ab und kniff sie in seiner Hast. Er hob sie auf seine Faust und warf sie in die Luft. Romilly verschmolz ihre Sinne mit dem aufsteigenden Falken. Sie spürte, wie die Wut verging, als Preciosa in den Himmel stieg. Verzweifelt dachte Romilly: Sie soll frei sein. Sie wird nie wieder mir gehören, und ich kann es nicht ertragen, sie von Darren schlecht behandelt zu sehen. Er meint es gut, aber er hat weder ein Herz noch Hände für Falken. Sie ließ sich in das Gehirn und das Herz des Falken einsinken und legte ihre ganze Seele in den Schrei:
Geh, Preciosa! Flieg fort, flieg frei – wenigstens eine von uns soll frei sein! Höher-höher-jetzt dreh ab und verschwinde… »Romilly, was ist in dich gefahren?« Die Stimme ihres Vaters klang rauh. »Wirf deinen Vogel ab, Mädchen!«
Mit schmerzhafter Anstrengung zwang sich Romilly in die Wirklichkeit zurück und löste mit geübten Händen die gestickte Haube. Der kleine Falke, wie ein Juwel schimmernd im roten Sonnenlicht, stieg auf, und Romilly hielt die tränenblinden Augen auf ihn gerichtet, ohne ihn zu sehen. Ihr ganzes Bewußtsein war bei Preciosa.
Höher, höher… jetzt hinunter mit dem Wind und fort, fort… frei mit dem Wind, flieg frei, flieg fort… Ein letzter schneller Blick auf das Land, das sich unter ihr wie das farbige Bild in einem von Raels Schulbüchern ausbreitete. Dann riß die Verbindung. Romilly war wieder allein, allein in ihrem eigenen Gehirn. Ihre Hände und ihr Herz waren leer. Ein schriller, dünner Schrei – einer der kleinen Falken hatte ein
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