Herrin der Falken - 3
mußt bleiben, bis der Sturm vorüber ist. Wenn Rory zurückkommt, wird er dich auf den richtigen Weg bringen.«
»Ich danke Euch, mestra.«
»Wie heißt du, Junge?«
»Rom –« Romilly schluckte ihren richtigen Namen hinunter. An so etwas hatte sie keine Sekunde gedacht! Sollte sie »Ruyven« sagen? Aber wenn man sie mit diesem Namen anredete, passierte es ihr vielleicht, daß sie sich, statt zu antworten, umdrehte und nach ihrem Bruder Ausschau hielt. Sie tat, als habe der Rauch des Feuers sie zum Husten gebracht, und sagte: »Rumal.«
»Und warum reist du ganz allein nach Nevarsin? Willst du Mönch werden, oder sollst du von den Brüdern unterrichtet werden wie die Söhne des Adels? Du hast übrigens etwas Adliges an dir, als seist du in einem Großen Haus geboren – und deine Hände sind feiner als die eines Stalljungen.“
Romilly hätte beinahe gelacht. Wie oft hatte Gwennis über ihre von Zügeln und Krallen schwielig gewordenen Hände geschimpft und ihr vorgehalten: »Wenn du nicht aufpaßt, wirst du Hände wie ein Stalljunge bekommen!« Wieder mußte die alte Frau auf eine Antwort warten. Romilly dachte an Neldas Sohn Loran – jeder auf Falkenhof wußte, daß er der Nedestro-Sohn des MacAran war, obwohl Luciella tat, als wisse sie es nicht, und sich weigerte zuzugeben, daß der Junge existierte. Romilly erklärte: »Ich bin in einem Großen Haus erzogen worden. Aber meine Mutter war zu stolz, mich vor die Augen meines Vaters zu bringen, weil ich ein Festkind bin. Da sagte sie zu mir, in einer Stadt könnte ich es weiterbringen. Und ich hoffe, in Nevarsin Arbeit zu finden. Ich war Lehrling des Falkenmeisters.« Das wenigstens war die Wahrheit; sie war eher Davins Lehrling gewesen als der unnütze Ker.
»Nun, Rumal, sei mir willkommen«, sagte die alte Frau. »Ich lebe hier allein mit meinem Enkel – meine Tochter starb bei seiner Geburt, und sein Vater ist im Tiefland. Er steht im Dienst König Rafaels, jenseits des Kadarin im Süden. Mein Name ist Mhari, und ich habe fast mein ganzes Leben lang in dieser Hütte gewohnt. Wir leben recht und schlecht vom Nußanbau, oder vielmehr, das taten wir, bis ich zu alt dafür wurde. Es ist hart für Rory, zu allen Jahreszeiten nach den Bäumen zu sehen und dazu noch für mich zu sorgen. Aber er ist ein guter Junge, und er wollte unsere Nüsse auf dem Markt von Nevarsin verkaufen und Mehl für den Brei und Kräutermedizinen für meine alten Knochen mitbringen. Wenn er ein klein wenig älter ist, findet er vielleicht eine Frau, und sie können sich hier durchbringen. Denn das ist alles, was ich zu hinterlassen habe.«
»Ich glaube, der Brei kocht über.« Romilly eilte ans Feuer und schob den Kessel ein Stück von den Flammen weg. Dann füllte sie der alten Frau einen Napf und richtete sie hoch, damit sie essen konnte. Sie schüttelte auch Mharis Kissen auf und glättete die Decken und machte es ihr für die Nacht bequem.
»Du hast geschickte Hände wie ein Mädchen«, meinte Mhari, Romillys Herz setzte aus, bis die Alte fortfuhr: »Ich vermute, das kommt von dem Betreuen der Vögel. Ich habe nie Geschick dafür gehabt und Geduld auch nicht. Aber dein Brei wird kalt, Kind. Geh und iß ihn. Du kannst dort auf Rorys Strohsack am Feuer schlafen, denn bei diesem Sturm wird er wohl nicht nach Hause kommen.«
Romilly ließ sich neben dem abgedeckten Feuer nieder und aß ihren Brei. Sie spülte den Napf in dem Wasserfaß aus, stellte ihn zum Trocknen hin und streckte sich, eingehüllt in ihren Mantel, vor dem Herd aus. Es war ein hartes Bett, aber unterwegs hatte sie an schlechteren Plätzen geschlafen. Eine ganze Weile lag sie wach, horchte schläfrig auf das Toben des Sturms draußen und das gelegentliche Tropfen von Wasser, das durch den Kamin lief und im Feuer kurz aufzischte. Zweimal erwachte sie während der Nacht und überzeugte sich, daß das Feuer noch glühte. Gegen Morgen ließ das Geräusch des Sturms etwas nach. Romilly sank in tiefen Schlaf, aus dem sie durch lautes Donnern an der Tür geweckt wurde. Mhari saß aufrecht im Bett.
»Das ist Rorys Stimme! Hast du den Riegel vorgeschoben?«
Romilly kam sich sehr dumm vor. Als letztes, bevor sie sich zum Schlafen hinlegte, hatte sie die Tür von innen verschlossen, was die verkrüppelte alte Frau natürlich niemals hätte tun können. Kein Wunder, daß die Stimme draußen laut und aufgeregt klang! Romilly eilte zur Tür und zog den Riegel zurück.
Sie sah in das Gesicht eines großen, kräftigen jungen Mannes mit
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