Herrin der Falken
nicht abgespielt.« Romilly fühlte sich verpflichtet, Orain in Schutz zu nehmen, ohne zu wissen, warum. »Es war… er ist freundlich zu mir gewesen, und ich glaubte, er wisse Bescheid und wolle mich als Frau – ich bin nicht leichtfertig,« verteidigte sie sich. »Einmal hätte ich einen Mann beinahe getötet, weil er mich gegen meinen Willen nehmen wollte.« Schaudernd schloß sie die Augen; sie hatte geglaubt, den Schock über Rorys Vergewaltigungsversuch überwunden zu haben, doch das hatte sie nicht. »Orain war gut zu mir, und ich… ich mochte ihn auch gern, und ich wollte freundlich zu ihm sein, wenn es das war, was er sich wünschte.“
Janni lächelte, und Romilly fragte sich ärgerlich, was wohl komisch daran sei. Dann meinte die ältere Frau: »Und wie ich annehme, bist du immer noch Jungfrau.«
»Dessen schäme ich mich nicht!« flammte Romilly auf.
»Wie kratzbürstig du bist! Nun, willst du nach unseren Regeln leben?«
»Sag mir, wie sie lauten, und ich werde dir antworten«, erklärte Romilly, und wieder lächelte Janni.
»Also: Willst du uns allen eine Schwester sein, ganz gleich, welchen Rang wir einnehmen? Denn wir lassen bei unserm Eintritt in die Schwesternschaft den Rang hinter uns. Du wirst hier nicht meine Dame oder Damisela sein, und niemand wird wissen oder sich dafür interessieren, daß du in einem Großen Haus geboren bist. Du mußt deinen Anteil an jeder Arbeit leisten, die uns zufällt, und darfst niemals aus dem Grund, daß du eine Frau bist, besondere Unterkunft oder Rücksichtnahme verlangen. Und wenn du ein Liebesverhältnis mit einem Mann hast, mußt du jede Diskretion wahren, damit kein Mann jemals die Schwesternschaft eine Gesellschaft von Troßdirnen nennen kann. Die meisten von uns schwören, im Zölibat zu leben, solange wir der Armee folgen und das Schwert tragen, aber wir zwingen niemanden dazu.«
Genauso wünschte Romilly es sich. Das sagte sie auch. »Aber willst du es schwören?«
»Gern«, antwortete sie.
»Ebenso mußt du schwören, daß du stets bereit sein wirst, jede deiner Schwestern im Frieden oder im Krieg mit deinem Schwert zu verteidigen, sollte ein Mann Hand an eine legen, die es nicht wünscht«, fuhr Jandria fort.
»Auch das würde ich gern schwören«, sagte Romilly, »aber ich glaube nicht, daß mein Schwert ihnen etwas nützen würde. Ich verstehe gar nichts von der Fechtkunst.«
Da lachte Janni und umarmte sie. »Wir werden es dich lehren. Komm, trage deine Sachen in den Innenraum. Hat dieser Tölpel Orain daran gedacht, dir ein Frühstück zu geben, oder war er so in Eile, dich aus dem Lager wegzubringen, daß ihm nicht in den Sinn gekommen ist, auch Frauen könnten Hunger haben?«
Romilly, die sich immer noch verschmäht und verletzt fühlte, war nicht in der Stimmung, sich gemeinsam mit Janni über Orain lustig zu machen. Aber Janni war der Wahrheit so nahegekommen, daß sie lachen mußte. »Ja, ich habe Hunger«, gestand sie, und Janni nahm eins ihrer Bündel.
»Ich habe ein Pferd im Stall des Gasthofs stehen«, sagte Romilly, und Janni nickte. »Ich werde eine der Schwestern schicken, es in deinem Namen abzuholen. Komm mit in die Küche, das Frühstück ist lange vorbei, aber etwas Brot und Honig finden wir immer. Und dann wollen wir deine Ohren durchstechen, damit du unser Zeichen tragen kannst und die anderen Frauen sehen, daß du eine von uns bist. Heute abend magst du den Eid ablegen. Zunächst nur für ein Jahr«, schränkte sie ein, »und dann, wenn dir das Leben gefällt, für drei weitere Jahre. Und wenn du vier Jahre mit uns verbracht hast, kannst du dich entscheiden, ob du dich fürs ganze Leben verpflichten oder deiner eigenen Wege gehen oder zu deiner Familie zurückkehren und heiraten willst.«
»Niemals!« beteuerte Romilly leidenschaftlich.
»Nun, den Falken wollen wir fliegen lassen, wenn seine Schwingen gewachsen sind«, entgegnete Janni. »Für den Augenblick magst du mit uns das Schwert nehmen, und wenn du Geschick im Umgang mit Falken und Pferden hast, werden wir dich um so lieber willkommen heißen. Mhari, unsere alte Pferdetrainerin, ist diesen Winter am Lungenfieber gestorben, und die Frauen, die mit ihr zusammenarbeiteten, sind alle bei der Armee im Süden. Die Mädchen, die jetzt hier im Haus sind, können nicht einmal besonders gut reiten. Wie sollten sie ein Pferd an den Sattel gewöhnen? Kannst du das? Wir haben vier Fohlen, die eingebrochen werden müßten, und in unserm großen Haus nahe Thendara sind
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