Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
stecken?«
    »Natürlich.« Romilly begann, an Caryls Stiefeln zu ziehen. Er setzte sich auf und protestierte verschlafen. Lauria brummte: »Laß den Jungen sich selbst bedienen, Romy! Janni, warum soll eine unserer Schwestern diesem jungen Mann aufwarten, der unser Gefangener ist? Wir sind nicht die Untertanen oder Diener der Hastur-Sippe!«
    »Er ist noch ein Kind«, antwortete Janni begütigend, »und wir werden gut bezahlt, für ihn zu sorgen.«
    »Trotzdem sind wir von der Schwesternschaft nicht die Sklavinnen von Männern«, schimpfte Lauria. »Ich muß mich über dich wundern, Janni, daß du für Geld den Auftrag übernimmst, einen Jungen durch die Berge zu eskortieren.«
    »Ob Junge oder Mädchen, das Kind kann nicht allein reisen«, gab Janni zurück, »und braucht nicht in die Kämpfe der Erwachsenen hineingezogen zu werden! Und Romilly sorgt gern für ihn.«
    »Daran zweifele ich nicht«, höhnte eine der fremden Frauen. »Das ist eine von denen, die es immer noch für ihre Lebensaufgabe halten, einen Mann zu bedienen – sie macht ihrem Ohrring Schande!«
    »Ich sorge für ihn, weil er müde ist, zu müde, um sich selbst zu helfen!« entgegnete Romilly heftig. »Und weil er ungefähr im gleichen Alter mit meinem eigenen kleinen Bruder ist! Hast du dich nie um deinen kleinen Bruder gekümmert, falls du einen hattest, oder hältst du dich für zu gut, um nach jemand anderem als dir selbst zu sehen? Wenn der heilige Lastenträger das Weltkind auf seinen Schultern über den Fluß des Lebens trug, soll ich dann nicht für jedes Kind sorgen, das mir in die Hände kommt?«
    »Oh, eine Cristofero«, spottete eine der jüngeren Frauen. »Sagst du jeden Abend vor dem Schlafengehen das Keuschheitsgelübde auf, Romy?«
    Romilly wollte eine zornige Antwort geben – sie machte keine groben Bemerkungen über die Götter anderer, also konnten sie auch den Mund über ihre Religion halten –, aber sie sah Jannis Stirnrunzeln und sagte ruhig: »Ich könnte mir etwas Schlimmeres zum Aufsagen vorstellen.« Dann drehte sie dem aufgebrachten Mädchen den Rücken und breitete Caryls Decke neben ihrer eigenen aus.
    »Sollen wir vielleicht ein männliches Wesen mit uns im Zelt schlafen lassen?« fragte das Mädchen, das Einspruch erhoben hatte, wütend. »Das ist ein Zelt für Frauen.«
    »Oh, sei still, Mhari, der Junge kann doch nicht draußen im Regen bei den Pferden schlafen«, antwortete Janni ärgerlich.
    »Die Regeln der Schwesternschaft sind mit gesundem Menschenverstand anzuwenden, und der Junge ist kaum mehr als ein Baby! Bist du so dumm, daß du glaubst, er werde unter unsere Decken kommen und uns vergewaltigen?«
    »Es ist eine Sache des Prinzips«, erklärte Mhari verdrießlich.
    »Weil das Balg ein Hastur ist, müssen wir ihn an einem Ort der Schwesternschaft dulden? Meine Einstellung wäre die gleiche, wenn er erst zwei Jahre alt wäre!«
    »Dann hoffe ich, du wirst niemals so geschmacklos sein, einen Sohn anstelle einer Tochter zu gebären«, meinte Janni leichthin. »Oder würdest du dich aus Prinzip weigern, ein männliches Kind an deiner Brust zu nähren? Geh schlafen, Mhari. Das Kind kann zwischen mir und Romilly liegen, und wir werden deine Tugend bewachen.«
    Caryl öffnete den Mund. Romilly stieß ihn in die Rippen, und er sagte nichts. Sie merkte, daß er kurz davor war, loszukichern. Ihr kam das Gerede ziemlich töricht vor. Aber vermutlich hatten die Schwestern ihre Regeln und Prinzipien wie die Brüder von Nevarsin. Sie legte sich neben Caryl nieder und schlief ein.
    In einem deutlichen, lebhaften Traum flog sie, im Geist mit Preciosa verbunden, über das grüne, hügelige Land ihrer Heimat. Mit einem Kloß in der Kehle wachte sie auf, den weiten Ausblick von den Klippen Falkenhofs noch vor Augen. Würde sie ihre Heimat, ihre Schwester und ihre Brüder je wiedersehen? Was hatten Schwester und Brüder mit einer wandernden Schwertfrau zu tun? Ihre Ohren schmerzten, wo sie durchstochen worden waren. Sie sehnte sich nach Orain und Carlo und sogar nach dem scharfzüngigen Alaric. Bis jetzt hatte sie noch keine Freundschaften unter diesen fremden Frauen geschlossen. Trotzdem gehörte sie durch ihren Eid mindestens ein Jahr lang zu ihnen, und das ließ sich nicht mehr ändern. Sie lauschte auf Caryls ruhigen Atem und auf die fremden Frauen im Zelt. So allein hatte sie sich noch nie im Leben gefühlt, nicht einmal als sie aus Rorys Hütte geflohen war.
    Fünf Tage lang ritten sie südwärts, bis sie an den

Weitere Kostenlose Bücher