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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Stimmen gingen ihr auf die Nerven, und manchmal meinte sie, trotz ihrer Tüchtigkeit als Schwertkämpferinnen und Reiterinnen glichen sie viel zu sehr ihrer Schwester Mallina mit ihrer Beschränktheit. Nur Janni schien von der kleinlichen Art frei zu sein, die sie an Frauen immer gestört hatte. Lag das nur daran, daß Janni wie Orain und deshalb keine richtige Frau war? Sie wußte es nicht, und das Herz tat ihr zu weh, als daß sie viel darüber hätte nachdenken mögen.
    Und vor vierzig Tagen, dachte sie, ärgerlich auf sich selbst, habe ich gemeint, die Gesellschaft von Männern gefalle mir noch weniger als die von Frauen. Bin ich nirgendwo zufrieden? Warum kann ich mich nicht mit dem begnügen, was ich habe? Wenn ich an allem etwas auszusetzen finde, könnte ich ebensogut zu Hause geblieben sein. Dann hätte ich Dom Garris geheiratet und wäre in vertrauter Umgebung in allem Komfort unzufrieden gewesen!
    Sie spürte die behutsame, fragende Berührung von Caryls Laran in ihrem Geist, als erkundige er sich, was los sei. Sie seufzte, lächelte ihm zu und schlug vor: »Sollen wir ein Wettrennen über diese Wiese machen? Unsere Pferde sind gleichgut, also geht es nur darum, wer der bessere Reiter ist.« Schon galoppierten sie los, und Romilly mußte aufpassen, daß sie nicht aus dem Sattel geschleudert wurde. Alle trüben Gedanken wurden fortgeblasen. Eine volle Länge vor Caryl erreichte sie das Ziel. Aber Janni, die langsamer hinterherkam, schalt sie alle beide – sie kannten das Terrain nicht, ihre Pferde hätten über einen im Gras unsichtbaren Stein stolpern oder in das Loch eines kleinen Tiers treten können!
    Am Abend, als sie das Lager aufschlugen – die Tage wurden jetzt merklich länger, und es war nach dem Essen noch hell –, hatte Romilly wieder das deutliche Gefühl, beobachtet zu werden, als sei sie ein Beutetier, das sich vor den scharfen Augen eines kreisenden Falken duckt. Sie suchte den dunkler werdenden Himmel ab, sah jedoch nichts. Und dann – unglaublich! – die vertraute Wahrnehmung von Wildheit, Flug, Kontakt, Rapport. Kaum wissend, was sie tat, streckte Romilly den Arm aus. Flügel rauschten und Krallen griffen zu. »Preciosa!« schluchzte sie laut und spürte die Krallen auf ihrem bloßen Handgelenk. Sie öffnete die Augen und sah den bläulich-schwarzen Schimmer der Flügel, die scharfen Augen, und die alte Verbundenheit kehrte zurück. Entgegen aller Hoffnung, entgegen allen Glaubens hatte Preciosa sie irgendwie gefunden, als sie das Gletscherland verließ, hatte ihre Spur noch durch diese fremden Berge und Ebenen verfolgt. Sie war in guter Kondition, glatt und schön und wohlgenährt. Natürlich. Auf diesen Ebenen war die Jagd noch besser als in den Kilghardbergen, wo sie aus dem Ei geschlüpft war. Lange Zeit stand Romilly bewegungslos, den Falken auf ihrer Hand, und stumme Zufriedenheit strömte von einem zum anderen. »Nun seht euch das an!« durchbrach die Stimme eines Mädchens ihre Verzückung. »Wo kommt der Falke her? Sie ist behext!«
    Romilly holte tief Atem. Sie sagte zu Caryl, der sie in hingerissenem Schweigen beobachtete: »Es ist mein Falke, es ist Preciosa. Irgendwie ist sie mir hierher gefolgt, so weit von zu Hause, so weit…«, sie weinte zu sehr, um weitersprechen zu können. Beunruhigt von ihrer Erregung, schlug Preciosa mit den Flügeln und balancierte auf Romillys Faust. Dann hob sie ab und blockte auf dem Ast eines nahestehenden Baums auf. Von dort sah sie ohne ein Zeichen von Furcht zu ihnen herab. Mhari fragte: »Ist das dein eigener Falke, der, den du abgetragen hast?« Und Janni sagte mit ruhiger Stimme: »Du hast mir erzählt, dein Vater habe ihn dir weggenommen und deinem Bruder geschenkt…«
    Mit Anstrengung gewann Romilly die Herrschaft über ihre Stimme zurück. »Ich glaube, Darren hat erfahren müssen, daß es nicht in der Macht meines Vaters lag, Preciosa zu verschenken.“ Sie sah durch ihre Tränen zu dem Ast empor, wo Preciosa saß, bewegungslos wie ein gemalter Falke auf einem gemalten Baum, und wieder traten sie in Rapport. Hier, unter fremden Frauen in einem fremden Land, wo alles, was sie gekannt hatte, hinter ihr und jenseits des Flusses lag, war sie, verbunden mit ihrem Falken, nicht länger allein.

2.
    Drei weitere Tage ritten sie und kamen in ein warmes Land mit sanften Hügeln und weicher Luft ohne die leiseste Spur von Frost. Bis ans Ende ihres Lebens sollte sich Romilly an diesen ersten Ritt über die Ebenen von Valeron erinnern –

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