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Herrin der Falken

Titel: Herrin der Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Fluß Kadarin gelangten, die traditionelle Grenze zwischen den Tiefland-Domänen und dem Vorgebirge der Hellers. Für Romilly hatte es eine besondere Bedeutung, ein fremdes Land zu betreten. Janni hingegen sah in dem Kadarin nur einen Fluß, den es zu überqueren galt, und das taten sie in aller Eile mittels einer Furt, deren niedriges Wasser den Pferden kaum an die Knie ging. Die Berge waren nicht mehr so hoch, und bald kamen sie auf eine weite, wellige Ebene. Caryl strahlte; während der ganzen Reise war er guter Laune gewesen, und jetzt war er selig. Romilly nahm an, daß er sich freute, nach Hause zu kommen, und die langen Ferien genoß, die seine Studien unterbrachen.
    Aber Romilly fühlte sich ohne Berge um sie herum unbehaglich. Während sie über das flache Land unter dem hohen Himmel dahinritt, kam sie sich klein und allen Gefahren ausgesetzt vor. Ängstlich blickte sie immer wieder empor, als werde irgendein Raubvogel auf sie niederstürzen und in seinen starken Krallen davontragen. Sie wußte, das war albern, und konnte doch nicht aufhören, den blassen Himmel voller dicker violetter Wolken abzusuchen, als werde sie von da oben beobachtet. Endlich nahm es Caryl, der neben ihr ritt, mit seinem empfindlichen Laran wahr.
    »Was ist los, Romy? Warum siehst du immerfort so zum Himmel auf?«
    Sie hatte wirklich keine Antwort für ihn und versuchte, darüber hinwegzugehen.
    »Mir ist unbehaglich ohne Berge um mich. Ich habe immer in den Bergen gelebt, und ich fühle mich hier nackt und schutzlos.« Den Blick zum unvertrauten Himmel gerichtet, versuchte sie zu lachen.
    Hoch, hoch oben schwebte kaum noch sichtbar ein Pünktchen. Romilly zwang sich, es zu ignorieren und die Augen auf das grobe, leicht von Rauhreif überzogene Gras zu ihren Füßen zu senken.
    »Welche Art von Beize wird auf diesen Ebenen betrieben, weißt du das?«
    »Mein Vater und seine Freunde halten Verrin-Falken«, antwortete Caryl. »Weißt du etwas über sie? Gibt es sie jenseits des Flusses oder nur diese großen, häßlichen Kundschaftervögel?«
    »Ich fliege einen Verrin-Falken«, erklärte Romilly. »Einmal habe ich einen abgetragen…«, und sie hielt wieder nervös Umschau. Ihre Haut prickelte.
    »Wirklich? Du, ein Mädchen?«
    Die unschuldige Frage riß eine alte Wunde auf. Sie fuhr ihn an: »Warum nicht? Du redest wie mein Vater, als hätte ich, weil ich geboren bin, Röcke um die Knie zu tragen, weder Mut noch Verstand!«
    »Ich wollte dich nicht beleidigen, Romy«, sagte Caryl mit einer Sanftmut, die ihn viel älter erscheinen ließ, als er war. »Es ist nur so, daß ich außer meiner eigenen Schwester nicht viele Mädchen kenne, und sie würde sich fürchten, einen Falken zu berühren. Doch wenn du mit einem Kundschaftervogel umgehen und ein Banshee beruhigen kannst, wie wir es gemeinsam gemacht haben, fällt es dir bestimmt nicht schwer, einen Falken zu trainieren.« Er wandte ihr das Gesicht zu und legte den Kopf zur Seite. Mit seinen glänzenden, fragenden Augen sah er selbst ein bißchen wie ein Vogel aus. »Wovor hast du Angst, Romy?«
    »Es ist keine Angst.« Vor seinem Blick gab es keine Ausflüchte. »Es ist, als beobachte mich jemand«, platzte Romilly heraus. Sie merkte, wie töricht ihre Worte klangen, und setzte abschwächend hinzu: »Vielleicht liegt es nur daran, daß das Land so flach ist und ich mir so schutzlos vorkomme…« Und wieder richtete sie ihre von der Sonne geblendeten Augen zum Himmel, wo an der Grenze zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit immer noch das Pünktchen schwebte. Ich werde beobachtet! »Das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte Janni und schloß zu ihnen auf. »Als ich das erste Mal in die Berge ritt, fühlte ich mich von ihnen eingeschlossen. Mir war, als könnten sie, wenn ich schlief, näherrücken und meine Röcke zerknautschen. Heute bin ich daran gewöhnt, aber wenn ich in die Ebene hinunterkomme, ist mir immer noch so, als werde ein großes Gewicht von meiner Brust genommen und lasse mich leichter atmen. Ich glaube, das unterscheidet den Bergbewohner mehr als alle Könige oder Sitten vom Tiefländer. Auch von Orain habe ich es gehört, daß er sich, immer wenn er seine Berge verließ, unter dem offenen Himmel nackt fühlte und Angst empfand.“
    Romilly konnte ihn fast hören, wie er es mit seiner weichen, etwas spöttischen Stimme sagte. Orain und seine ungezwungene Kameradschaftlichkeit fehlten ihr immer noch. Unter all diesen Frauen war sie wie ein Fisch auf einem Baum! Schon ihre

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