Herrin der Finsternis Roman
Colt zog es vor, diese Merkmale und seine Macht zu verbergen wie zahlreiche Wächter, die außerhalb ihres Clans oder völlig zurückgezogen lebten.
Welche Kräfte er besaß, erfuhren die Leute erst, wenn sie ihm in die Quere kamen. Und dann war es zu spät. Ein Wachtposten, der im Verborgenen existierte, war gefährlich.
Im Gegensatz zu den anderen Bären besaß er kurzes schwarzes Haar und erstaunlich ebenmäßige Gesichtszüge.
»Gib mir einen Whisky, Vane«, sagte er. »Nicht das Menschenzeug.«
Mit dieser Redewendung verlangte Colt jenen starken Alkohol, der einen Menschen umwerfen würde. So etwas vertrug der Bär dank seines schnelleren Stoffwechsels.
Vane nickte, füllte ein Glas und stellte es auf die Theke. Sobald er seine Hand zurückzog, spürte er ein eigenartiges brennendes Gefühl. Mit verzerrten Lippen blies er auf seine Handfläche und trat unter eine Lampe, um festzustellen, was geschehen war. Auf seiner Haut bildete sich ein Brandmal, ein merkwürdiges Schriftzeichen. »O Scheiße«, flüsterte er, als er sah, wie es Gestalt annahm.
Blitzschnell duckte Colt sich unter der Theke hindurch und postierte sich hinter ihm. Seine Kinnlade klappte hinab. »Wirst du den Bund schließen?«, fragte er ungläubig. »Wer ist die glückliche Wölfin?«
Vane rang nach Luft. Wie konnte das sein? »Unmöglich!«
»Genauso hat Serre nach seiner alles entscheidenden Paarung reagiert«, sagte Colt grinsend. »Glaub mir, das passiert den Besten von uns.«
»Nein«, protestierte Vane und erwiderte den Blick des Bären. »Sie ist ein Mensch. Und ich bin ein Wolf. Mit einer Menschenfrau kann ich nicht verbunden sein. Undenkbar.«
Da verstand Colt, in welcher Situation Vane sich befand. Aus seinem Gesicht wich alle Farbe. »Armer Teufel. Nur ganz selten bindet sich ein Arkadier an eine Menschenfrau. Aber es kommt vor.«
»Unsinn, ich bin kein Arkadier«, zischte Vane. In ihm war nichts Menschliches. Gar nichts.
Colt packte Vanes Hand und hielt sie ihm vor die Augen. »Wenn du es auch bestreitest – du musst dich mit der Wahrheit abfinden. Deine drei Wochen beginnen zu ticken. Entweder du gewinnst die Menschenfrau für dich, oder du wirst in deinem restlichen Leben nie wieder eine Frau anrühren.«
»Autsch!«, klagte Bride, als ihre Hand zu brennen an
fing, und presste sie an ihr kaltes Wasserglas.
»Was ist los?« Mina nahm sich noch eine Auster.
»Das weiß ich nicht – meine Hand tut weh.«
Tabitha berührte Brides Teller. »Kein bisschen heiß. Hast du dich mit einer Austernschale geschnitten?«
»Nein.« Bride betrachtete ihre Handfläche und entdeckte ein schönes Ornament, das sie an ein altes griechisches Schriftzeichen erinnerte. »Was um alles in der Welt …?«
Mit gerunzelter Stirn inspizierte Mina das Mal. »Ist das ein Henna-Tattoo?«
»Nein, ich habe mich nicht tätowieren lassen. Das schwöre ich. Vor fünf Sekunden war es noch nicht da.«
»Unheimlich.« Tabitha beugte sich vor, um das Zeichen genauer zu betrachten. »Sehr seltsam. Und wenn ich das sage, will das was heißen.« Tabitha Devereaux
war tatsächlich die personifizierte Merkwürdigkeit.
»Hast du so was noch nie gesehen?«, fragte Bride.
»Kein einziges Mal. Vielleicht leiden wir alle unter Wahnvorstellungen, und es ist so wie in Platos Theorie. Da ist nichts außer deiner Haut, Bride. Wir sehen nur, was wir sehen wollen.«
Mina schnaufte verächtlich und goss Tabascosauce auf ihre Auster. »Nur weil du in ständigem Irrsinn lebst, Tabby, bedeutet das noch lange nicht, dass wir auch verrückt sind.«
Lachend schüttelte Bride den Kopf, strich über das Zeichen auf ihrer Handfläche und fragte sich, wieso es plötzlich aufgetaucht war.
Colt starrte Vane durchdringend an. »Hör mal, ich weiß, du kannst mich nicht ausstehen. Trotzdem helfe ich dir. Geh zu deiner Frau, und ich kümmere mich um die Bar.«
»Dafür brauche ich dich nicht …«
»Sei nicht so verdammt stur!«, stieß Colt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Da draußen hast du eine Frau, Vane. Ganz egal, ob du ein Arkadier oder ein Katagari bist, du kennst das Gesetz, dem wir alle folgen müssen – die Sicherheit deiner Frau ist wichtiger als alles andere.«
Damit hatte er recht, und Vane wusste es. Das Tier in ihm wehrte sich bereits gegen die menschliche Hälfte und verlangte nach seinem Weibchen.
Die Koexistenz zwischen seiner menschlichen und seiner animalischen Hälfte beruhte auf einer labilen Ausgeglichenheit. Aber Hormone und
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