Herrin der Finsternis Roman
sich lächelnd an ihre erste Begegnung mit Vane.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, seither wäre eine Ewigkeit verstrichen.
Vane legte sein Kinn auf ihren Scheitel. Mit einer Hand umfasste er ihr Gesicht.
Während Michaela auf einzelne Sehenswürdigkeiten hinwies, schwiegen ihre Fahrgäste. Brides Nähe nahm Vane den Atem. Wann immer er ihre Wange streichelte, glaubte er Seide zu berühren. So kostbar erschien sie ihm. Manchmal glaubte er, an dem Tag, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte – vor Sunshines Kiosk, die Augen voller Trauer – , wäre er zum zweiten Mal geboren worden. Eine Zukunft ohne sie wollte er sich nicht vorstellen.
Bei seinem Besuch in Fangs Zimmer hatte er dem Bruder alles über Bride erzählt, in der Hoffnung, das würde den komatösen Zustand endlich beenden.
Doch das war nicht geschehen. Im Gegenteil – Vane fürchtete sogar, er hätte seinen Bruder noch tiefer deprimiert. Wenn er bloß wüsste, wie er Fang helfen könnte. Beinahe fühlte er sich schuldig, weil er so glücklich mit Bride war, während sein Bruder leiden musste.
Trotzdem wollte er nicht in die Zeit vor seinem ersten Liebesakt mit Bride zurückkehren. Und jetzt musste er sich nicht einmal mehr verstellen, musste sein wahres Wesen nicht vor ihr verbergen. Dass er ihr offen und ehrlich begegnen konnte, erfüllte ihn mit heißer Freude.
Sie verurteilte oder hasste ihn nicht wegen all der Dinge, die er nicht verschuldet hatte. Stattdessen akzeptierte sie ihn, und das erschien ihm wie ein Wunder.
Viel zu schnell kehrte die Kutsche zur Decatur Street zurück. Vane sprang auf das Pflaster und half Bride auszusteigen.
Dann gab er der Fahrerin ein Trinkgeld, ergriff Brides Hand und führte sie zur St. Louis Cathedral. »Möchtest du tanzen?«
Erstaunt zögerte sie. Seit Jahren hatte sie nicht mehr getanzt. »O ja, sehr gern.«
»Hast du einen Lieblingsclub?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Hm. Ins Sanctuary kann ich dich nicht führen. Da habe ich immer noch Hausverbot, weil ich jemanden aus meinem Rudel angegriffen habe. Manchmal tanzen Ash und Simi in einem Lokal namens Dungeon. Aber wenn ich an den musikalischen Geschmack der beiden denke,würden wir uns dort wahrscheinlich nicht wohlfühlen. Am liebsten hängt Nick Gautier im Temptations herum. Und so wie ich Nick kenne, würde es dir da auch nicht gefallen.«
»Wohl kaum.« Sie musste lachen, weil er einen der renommiertesten Gentlemenclubs von New Orleans erwähnt hatte. »Versuchen wir's im Tricou House an der Bourbon Street. Da geht Tabitha oft nach der Arbeit hin, um nach Vampiren Ausschau zu halten. Aber sie behauptet, die Musik sei fabelhaft und das Essen ausgezeichnet.«
»Okay, das klingt verlockend.«
Während sie der Père Antoine Alley folgten, verlangsamte Vane seine Schritte. Plötzlich zog er sie hinter seinen Rücken.
»Was …« Ihre Stimme erstarb, denn sie sah vier blonde Männer und eine attraktive Brünette. Zunächst dachte sie, einer der Männer würde die Frau in einem Alkoven umarmen, und sie verstand nicht, warum Vane stehen geblieben war.
Doch dann entdeckten ihn die anderen drei Männer und fluchten.
»Verschwinde, Were Hunter!«, fauchte der Größte und warf Bride einen bösartigen Blick zu. »Bekämpfen Sie uns lieber nicht, Sie haben zu viel zu verlieren.«
»Lasst sie gehen«, befahl Vane mit eisiger Stimme.
Doch sie gehorchten nicht.
»Bleib hier stehen, Bride«, sagte Vane leise, streckte eine Faust aus und schleuderte zwei Vampire durch die Luft.
Ehe er noch etwas unternehmen konnte, blitzte ein grelles Licht in der Gasse auf. Bride hob eine Hand, um ihre Augen zu schützen. Aus Vanes Kehle rang sich ein unmenschlicher Schrei.
»Holt euch seine Frau!«, rief jemand.
Immer noch von dem Blitz geblendet, spürte sie eine Hand, die ihren Arm unsanft umklammerte. Da sie wusste, dass Vane sie niemals so grob behandeln würde, trat sie mit aller Kraft nach dem Angreifer, und ihr Fuß stieß gegen weiches Fleisch. Heulend griff der Vampir zwischen seine Beine und zerbröckelte. Ein zweiter stürzte sich auf Bride, sie dachte, sie wäre verloren. Doch da zerfiel auch er zu Staub. Die beiden anderen rannten zu einem Schatten und verschwanden.
Als der Schatten auf Bride zukam, wappnete sie sich, um ihn zu bekämpfen, bis sie Valerius erkannte.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja …« Inzwischen konnte sie wieder klar sehen und entdeckte Vane. Wenige Schritte von der Frau entfernt, die anscheinend bewusstlos war, lag er am
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