Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
eine Tochter des Herrschers von Byzanz gewesen, der zum Zeitpunkt des Kreuzzuges im Kerker seines eigenen Palastes festgehalten wurde. Damit hatte Philipp, neben politischen Motiven, auch einen familiären Grund, Konstantinopel anzugreifen. »Und die fünfte Signatur?«, fragte Faun.
    Zinder stieß ein trockenes Lachen aus. »Ist die des Hauses Lerch.«
    »Gahmuret?«
    »Violantes Gemahl. Derselbe, der während der Plünderung Konstantinopels verschollen ist und seither nie mehr gesehen wurde. Und der wahre Grund für Violantes Kreuzzug. Sie ist besessen davon, Gahmuret zu finden, und sie weiß, dass sie das nur mit Hilfe der Kirche und ihrer Ritterorden im Heiligen Land bewerkstelligen kann.« Zinders Blick wurde noch düsterer. »Wie ist dieses Dokument zu dir gelangt?«, fragte er Tiessa.
    Auch Faun sah sie durchdringend an. »Und warum hast du mich angelogen? Du hast gesagt, einer dieser Männer sei dein Vater gewesen … Doch nicht etwa Gahmuret?«
    »Nein. Ich kenne ihn nicht mal, ebenso wenig wie Gräfin Violante.« Trotzig hielt sie seinem Blick stand. Darin war eine Gefasstheit, die ihn erstaunte. »Das schwöre ich bei Gott«, setzte sie hinzu, und so wie sie es sagte, klang es nicht wie eine Floskel.
    »Wie bist du dann an diesen Vertrag gekommen, wenn die Geschichte mit deinem Vater erfunden war?«
    Sie fischte dem Söldner das Pergament aus den Fingern. Zusammengerollt ließ sie es im Inneren der Puppe verschwinden und steckte den geschnitzten Kopf auf. Zuletzt schnallte sie sich das Bündel auf den Rücken.
    »Lasst mich einfach in Ruhe, ja? Alle beide.«
    Damit wandte sie sich vom Feuer ab, trat an ihnen vorüber und folgte dem Weg durch das Trümmerfeld in die Dunkelheit.
    »Tiessa!« Faun wollte ihr folgen, aber Zinder hielt ihn zurück.
    »Sie kommt wieder.«
    »Es ist zu gefährlich da draußen.«
    »Und spätestens, wenn ihr das klar wird, kehrt sie um. Verlass dich darauf.«
    »Du kennst sie nicht. Sie ist …« Er verstummte. Was war Tiessa? Wer war Tiessa?
    »Vor allem ist sie klug. Würde mich nicht wundern, wenn sie noch ein, zwei weitere Überraschungen für uns bereithielte.«
    Faun starrte ihn an. »Du sagst das, als wäre es dir egal.«
    »Egal? Ist dir überhaupt klar, was sie da in ihrer Puppe mit sich führt? Wenn das der Falsche in die Finger bekommt …«
    Faun ließ den Söldner stehen und ging ein paar Schritte in die Richtung, in der Tiessa verschwunden war. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Noch immer konnte er sich kein Bild von den wahren Zusammenhängen machen. Der Doge, der römisch-deutsche König, dazu noch der Führer des Kreuzzuges, der Papst und jetzt sogar noch Gahmuret von Lerch. Wie passte das alles zusammen? Und welche Rolle spielte Tiessa in diesem Komplott, das vor sechs Jahren Zigtausende das Leben gekostet und den Untergang eines Weltreichs besiegelt hatte?
    Sie hatte ihn angelogen, die ganze Zeit über. Plötzlich war ihm die Wahrheit über diese Verschwörung egal, deren Konsequenzen er nicht einmal ganz verstand. Dass Tiessa ihn all die Wochen zum Narren gehalten hatte, drängte alles andere in den Hintergrund.
    Er starrte in die Dunkelheit, doch er ging ihr nicht nach.
    Am Feuer legte Zinder ein paar dürre Zweige nach. Der Söldner blickte auf. »Wer verfolgt euch?«, fragte er unvermittelt.
    »Im Augenblick? Niemand, hoffe ich. Die Männer, die Achards Sohn umgebracht haben, dürften die Einzigen gewesen sein, die hinter uns her waren.«
    »Wie viele Abschriften von diesem Vertrag gibt es?«
    »Es gab fünf, soweit ich weiß. Tiessa sagt, das hier ist die letzte. Sie hat gesagt, ihr Vater sei – … Aber was rede ich da, das war eh alles gelogen.«
    »Red ruhig weiter. Ihr Vater war was?«
    »Sie hat behauptet, ihr Vater sei ein Adeliger gewesen, der als Gastgeber der geheimen Zusammenkunft fungiert hat. Dann sei er gestorben und habe ihr den Vertrag anvertraut.«
    »Um was damit zu tun?«
    »Keine Ahnung.« Tatsächlich hatte er danach nie gefragt. Es war immer nur die Rede davon gewesen, vor den Verfolgern davonzulaufen und das Dokument in Sicherheit zu bringen.
    Zinder sah grübelnd in die Flammen. »Gastgeber des Ganzen ist Gahmuret gewesen. Der Vertrag wurde auf Burg Lerch unterzeichnet.« Er überlegte kurz, dann fuhr er fort: »Auch die Motive des päpstlichen Gesandten sind klar. Und natürlich die des Dogen. Beiden war die Macht Konstantinopels seit jeher ein Dorn im Auge. Philipp wiederum hat sich von der Befreiung seines

Weitere Kostenlose Bücher