Herrin der Lüge
Schwiegervaters vor allem Unterstützung auf seinem Weg zur Kaiserkrone versprochen. Ich kannte ihn, ich habe an seiner Seite gekämpft.« Er versank einen Moment lang in trübem Schweigen, dann fuhr er fort: »Vier dieser Männer sind tot, weißt du das? Philipp, der Doge, Bonifaz – und Gahmuret vermutlich auch. Deine Freundin hat sich mächtige Feinde gemacht … . Bei alldem bleibt die Frage, wie das Dokument in ihre Hände gelangt ist. Gahmuret kannte sie nicht, sagt sie. Bonifaz von Montferrat hat die Jahre seit dem Fall Konstantinopels bis zu seinem Tod in den Kreuzfahrerkönigreichen verbracht. Und vom Dogen oder gar dem Papst selbst wird sie das Dokument ebenfalls nicht bekommen haben. Bleibt nur einer übrig, oder?«
»König Philipp?« Zinder nickte mit zerfurchter Stirn. »Du hast ihn gekannt, sagst du.«
»Ich habe für ihn gekämpft. Ich bin in Konstantinopel gewesen. Ich war dabei, als Byzanz fiel und seine Hauptstadt verwüstet wurde. Philipp ist lieber zu Hause in Deutschland geblieben und hat weiter an seinen Intrigen gesponnen, um den Thron zu behaupten. Aber ich habe den Untergang Konstantinopels mit eigenen Augen gesehen, und als ich heimkam, da war die Welt eine andere. Philipp war ein anderer. Er hat nie zugegeben, dass er in die Planung dieses Krieges verwickelt war, aber ich … ich wusste es trotzdem. Ich konnte es in seinen Augen lesen, sogar in seinen Worten hören, wenn er nicht davon sprach. Damals habe ich ihm den Rücken gekehrt und mich den Armeen Ottos angeschlossen.«
»Du hast die Seiten gewechselt?«
»In einem Bürgerkrieg spielt es keine große Rolle, für oder gegen wen man kämpft. Irgendwann hatte ich genug von diesem Krieg der Eitelkeiten um eine Krone, und seitdem … Ich bin Söldner geworden.« Er warf noch einen Zweig ins Feuer. »Im Augenblick kein besonders brauchbarer.«
»Tiessa hatte Recht, oder?«
Zinder blickte auf.
»Du tust das wirklich für Violante. Deshalb folgst du Saga und den anderen.«
Zinder lachte leise. »Manchmal tun wir einfach Dinge, die wenig Sinn ergeben. Dann laufen wir blind gegen Wände, sogar gegen Schwerter an, nur um … um uns etwas zu beweisen, schätze ich. Violante hat mit mir gespielt. Sie hat gewusst, dass ich alles für sie tun würde – sie weiß es noch immer –, und vielleicht hat sie mich auch gemocht.« Er brach unvermittelt ab. »Aber das ist nicht mehr von Bedeutung. Sie hat inzwischen alles ihrer Suche untergeordnet. Es ist wie ein Fluch, der auf ihr lastet. Sie hat den einen Menschen gefunden, von dem sie sich nicht mehr lösen kann.« Er lächelte traurig. »Zumindest das haben sie und ich gemeinsam.«
Faun wusste nicht, was er darauf hätte erwidern können, und so sah er nur eine Weile schweigend zu, wie Zinder mit einem Ast im Feuer herumstocherte.
Schließlich gab sich Faun einen Ruck. »Ich muss Ties sa finden.« Während der Söldner tief in Gedanken versunken zurückblieb, fischte er einen lodernden Scheit als Fackel aus den Flammen und machte sich auf den Weg.
Vielleicht war er selbst so etwas wie ein Besessener. Am Anfang war alles so einfach gewesen war, die Rollen klar verteilt. Dann war Tiessa dazugekommen und hatte alles durcheinander gewirbelt.
»Tiessa?« Er rief ihren Namen ins Dunkel hinaus, doch niemand antwortete.
Faun schluckte. Der eine Mensch, von dem man sich nicht mehr lösen kann. Vor wenigen Wochen hätte er Zinder für verrückt erklärt. Doch inzwischen verstand er, was der Söldner meinte.
Er ging jetzt schneller.
»Tiessa!«
Angestrengt schaute er sich um. Sie war in eine Richtung gegangen, die sie zurück zu dem Weg durch die verbrannten Wälder führen musste – derselbe Pfad, auf dem sie am Abend das Trümmergelände durchquert hatten. Er wagte nicht zu lauten, weil der Feuerschein des brennenden Asts begrenzt und der Boden gespickt war mit den eisernen Überresten der Schlacht mit Steinbrocken und, rechts und links des Pfades, den heimtückischen Einbrüchen in die Festungskavernen.
Der Weg machte einen leichten Bogen. Faun hatte fast den Rand der Trümmerwüste erreicht, als er vor sich in der Nacht einen hellen Fleck entdeckte. Es fiel schwer, die Entfernung abzuschätzen. Vorsichtig ging er weiter. Bald gab es keinen Zweifel mehr, dass es sich um ein Lagerfeuer handelte. Hastig trat er seinen Scheit aus und hoffte, dass ihn niemand bemerkt hatte.
»Faun!«, raunte es hinter ihm in der Finsternis.
Zinder holte ihn im Laufschritt ein, weit weniger bekümmert über die
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