Herrin der Lüge
Stolperfallen am Boden als Faun, in einer Hand den Ast, in der anderen ein Langschwert mit abgebrochener Spitze. Er musste es unterwegs vom Boden aufgelesen haben.
»Das ist nicht das Kettenschwert, oder?«, flüsterte Faun bissig. Der Griff von Wielands Wunderwaffe steckte noch immer in der Scheide an Zinders Gürtel.
Der Söldner deutete einen Stoß ins Leere an. »Dieses hier liegt gut in der Hand, und es ist nicht allzu verrostet. Außerdem ist die Klinge noch scharf genug, um Knochen zu brechen.« Er sprach sehr leise und ließ dabei das Feuer in der Ferne nicht aus den Augen. »Das da vorn ist nicht Tiessa.«
»Ganz sicher?«
»Ich hab mit ansehen müssen, wie ihr beiden Feuer macht. So schnell geht das bei ihr nicht … Such dir eine Waffe. Irgendetwas.«
Ein Zittern überfiel Faun, als er im Dunkeln am Boden umhertastete, ein paar Schritt weit abseits des Pfades, wo sich in jedem tiefschwarzen Schatten ein Abgrund auftun mochte. Er fand einen Morgenstern mit zersplittertem Griff, legte ihn aber beiseite. Er hatte noch seinen Dolch, doch wenn Zinder eine Waffe sagte, meinte er vermutlich etwas, mit dem er größeren Eindruck schinden konnte.
»Beeil dich«, wisperte der Söldner ungeduldig.
Faun wollte sich schon mit einer Axt zufrieden geben, deren Eisenblatt viel zu locker auf der Griffstange steckte und bei jeder Bewegung klapperte, als er schließlich doch noch mit dem Fuß gegen ein Schwert stieß. Es war ein Einhänder, besser erhalten als Zinders Waffe, die Klinge vollständig und erstaunlich scharf; lediglich ein Teil der Kreuzstange war abgebrochen.
»Das hier?«, fragte er, als er zu dem Söldner zurückkehrte.
Zinder blickte kaum hin und nickte fahrig. Seine Augen waren auf das Lagerfeuer am Rand des Trümmerfelds gerichtet. »Es sind vier. Mindestens.«
»Wir können es nicht mit vier Männern aufnehmen«, gab Faun zurück. »Jedenfalls ich nicht.«
»Drei für mich, einer für dich.«
Die Männer lagerten außerhalb des ehemaligen Mauerwalls, in einer kleinen Senke, die nicht weiter als einen Steinwurf vom Aschefeld des Scheiterhaufens entfernt lag. Zwei Steinquader, die in rechtem Winkel aneinander grenzten, schützten die Stelle vor dem scharfen Wind, der vom Meer her landeinwärts wehte. Es roch nach gebratenem Fleisch, und Faun drohte sich einmal mehr der Magen umzudrehen.
Oberhalb der Senke waren mehrere Pferde angebunden, halb unsichtbar im Schatten. Er zählte sie und kam auf fünf. Dann bewegte sich eines, und er entdeckte dahinter ein sechstes und siebtes.
»Heilige Scheiße!«, zischte er. »Es sind sieben! Mindestens.«
Der Söldner nickte nur, machte aber keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Sie kauerten sich in den Schutz einer umgestürzten Säule, die eine brauchbare Deckung abgab.
Faun verzog das Gesicht. »Sechs für dich, einer für mich?«
Zinder gab keine Antwort. Die vier Männer dort unten trugen leichte Kriegskleidung, Wämser mit aufgenähten Eisenringen und verstärkte Beinlinge aus Leder. Hohe Stiefel schützten ihre Beine. Einer stützte sich auf eine Lanze, die anderen waren mit Schwertern, Langmessern und Äxten bewaffnet.
»Die sind nicht von hier«, stellte Zinder leise fest. »Drei von denen haben helles Haar.« »Und?«
»Das könnten Männer des Kaisers sein.« »Deutsche?« Faun atmete auf. »Dann können sie uns vielleicht –«
»Die Kehlen durchschneiden«, führte Zinder grimmig seinen Satz zu Ende. »Und vorher ihren Spaß mit der Kleinen haben.«
»Aber wir sind ihre Landsleute!«
»Während des Bürgerkriegs habe ich gesehen, was Landsleute einander antun können.«
Faun schwieg beschämt und dachte an seine Brüder. Er hätte es wahrlich besser wissen müssen.
»Siehst du sie irgendwo?«, fragte Zinder.
»Tiessa? Nein, sie muss noch –«
»Ich meine die drei anderen.«
»Glaubst du, sie haben Tiessa gefangen?«
»Vielleicht. Oder sie pirschen sich gerade von hinten an uns heran.«
Faun blickte nervös über die Schulter, sah aber nur klobige Ruinenränder vor einem unmerklich graueren Nachthimmel. Der Mond war milchig verschwommen, die Sterne unsichtbar. Die Ruinen mochten vor schleichenden Gegnern nur so wimmeln oder vollkommen menschenleer sein – von hier aus machte das für Faun keinen Unterschied. Er fluchte abermals.
Zinder deutete mit einem knappen Nicken zum Feuer. Dort tauchte jetzt ein weiterer Mann auf, in feiner Kleidung aus Leder und Samt. Er hatte schulterlanges braunes Haar und einen kurz geschnittenen
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