Herrin der Lüge
kennen. Zinder verdrehte die Augen, und gleich darauf wusste Faun, warum.
»Die Armee des Kaisers lagert einen halben Tagesmarsch weiter südlich«, sagte der Edelmann. »Wenn ihr hier seid, und sie dort – dann müsst ihr Deserteure sein, nicht wahr?«
»Gut gemacht«, presste Zinder hervor.
Faun verfluchte sein loses Mundwerk und schwieg.
»Ich sage, bringt sie um«, rief der Mann in der Rüstung und stieg scheppernd vom Pferd. »Ich habe Hunger und keine Lust auf ein Verhör.«
Der zweite Edelmann schien diesen Vorschlag nun ernstlich in Erwägung zu ziehen, als mit einem Mal eine weibliche Stimme ertönte. Eine schlanke Gestalt trat hinter den beiden Steinblöcken hervor, die das Lager nach Osten hin schützten. Tiessa wirkte verletzlich und klein neben den mächtigen Steintitanen. Aber dann sah Faun ihr ins Gesicht, und er fand darin keine Spur von Schwäche. Nur finstere Entschlossenheit.
»Zurück!«, rief sie in die Runde der überraschten Männer. Ein Soldat mit Lanze lief ihr entgegen, blieb aber auf halber Strecke stehen, als sie ihm mit zielstrebigen Schritten entgegenkam, unbeeindruckt an ihm vorüberging und auf das Feuer, die beiden Gefangenen und den bärtigen Edelmann zuhielt.
»Ihr werdet Ihnen kein Haar krümmen, Adalbert von Herringen. Und ihr ebenso wenig, Graf Hektor.« Sie sah hinüber zu dem Mann in der Rüstung. »Ruft Eure Männer zurück.«
Der Bärtige starrte sie entgeistert an, dann überwand er sein Erstaunen und verbeugte sich. Auch Graf Hektor schluckte heftig und tat es ihm gleich. Die Soldaten, die nicht verstanden, was vorging, glotzten ratlos das Mädchen an, dann einander.
»Auf die Knie, ihr Hunde!«, rief Graf Hektor. »Runter auf eure verdammten Knie!«
Eisen schepperte, und Leder raschelte, als die Soldaten dem Befehl eilig nachkamen. Aber noch immer sprach nur Unverständnis aus ihren Mienen.
»Beatrix von Schwaben«, sagte Adalbert von Herringen ehrerbietig in Tiessas Richtung. »Ihr seht uns überrascht, meine Dame, aber wir fühlen uns geehrt.«
Faun verstand die Welt nicht mehr.
»Beatrix …«, flüsterte Zinder und ließ die Hände sinken. »In drei Teufels Namen und beim Kruzifix meiner Mutter!« Dann neigte auch er den Oberkörper.
Faun stierte Tiessa an. Er brachte kein Wort heraus.
Sie schenkte ihm ein fahriges Lächeln. »Du kannst jetzt die Hände runternehmen, Faun. Keiner hier wird euch etwas zu Leide tun.«
»Wieso Beatrix?« Seine Stimme klang dünn, als er endlich die Sprache wiederfand, vermischt mit einem Anflug von Ungeduld. »Was soll das alles?«
Sie trat vor ihn hin und streichelte flüchtig seine Wange. Graf Hektor räusperte sich, und Adalbert von Herringen warf ihm einen unsicheren Blick zu.
»Ich verstehe das nicht.« Faun wollte ihre Hand ergreifen, aber sie war schneller und entzog sie ihm. Ihr Lächeln sah jetzt sehr traurig aus.
Hektor richtete sich langsam auf. »Unser Herr ist in großer Sorge um Euch, seit die Nachricht von Eurer Entführung –«
»Es war keine Entführung, Graf Hektor, und Ihr wisst das so gut wie ich«, fuhr Tiessa ihm über den Mund. »Ich bin fortgelaufen. Ihr braucht das nicht schönzureden.«
Zinder stieß ein trockenes Lachen aus. »Beatrix von Schwaben«, wiederholte er kopfschüttelnd.
Faun sah verständnislos von ihm zu Tiessa.
Sie wich seinem Blick aus. »Philipp von Schwaben war mein Vater. Es tut mir leid, Faun … Der Kaiser ist mein Verlobter.«
Ein Segen des Papstes
Der junge Priester zitterte, während er Oldrichs Silberkelch mit Rotwein füllte.
»Nicht so hastig«, sagte der Kardinal mit jener liebenswürdigen Ruhe, die jeder im Papstpalast als Drohung empfand. »Wein schenkt man langsam ein, nicht zu überstürzt, sonst kann er seinen Geschmack nicht entfalten.«
Oldrich ließ den jungen Mann nicht aus den Augen, während der Schnabel des Weinkrugs gegen den Rand des Kelchs vibrierte. Der Junge blinzelte und versuchte nervös, dem Wunsch des Kardinals nachzukommen. Ihm war anzusehen, dass er gar nicht schnell genug von hier verschwinden konnte. Oldrich genoss die Furcht, die er dem Jungen einflößte, und er versuchte, diesen Augenblick so lange auszudehnen wie nur möglich.
Blitzschnell streckte er die Hand aus und legte sie auf die Finger am Griff des Kruges. Der junge Mann schrak zusammen und hätte beinahe den Wein über den Kelchrand verschüttet.
»Ganz ruhig, mein lieber Freund«, sagte Oldrich genüsslich. »Kein Grund, so aufgeregt zu sein.« Er wusste sehr
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