Herrin der Lüge
vorschnell«, sagte der Johanniter. »Womöglich habt Ihr Recht. Vielleicht aber auch nicht.«
»Wir verschwenden hier unsere Zeit«, blaffte der Templer.
»Dessen bin ich nicht so sicher wie Ihr.«
»Dann bleibt. Reist mit diesen Frauen. Schützt sie, wenn Ihr könnt. Der Templerorden kann diesem Irrsinn nicht zustimmen.«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass der Templerorden sich irrt.«
Violante sah mit wachsender Verzweiflung von einem Ritter zum anderen. Genau wie Saga dämmerte ihr, dass es hier nicht allein um die Glaubwürdigkeit der Magdalena ging, sondern vorrangig um die Konflikte zwischen den drei Orden.
Tatsächlich wechselten die Männer nun heftige Worte. Einige Minuten lang kümmerte sich keiner von ihnen um die beiden Frauen. Violante sah mehrfach aus, als wollte sie wutentbrannt auffahren und die Ritter zur Ordnung rufen. Ihr Körper war gespannt, ihre Miene verbissen, aber noch hielt sie sich zurück. Saga selbst fühlte sich immer unwohler in ihrer Haut, obgleich der Ausgang dieser Befragung offenbar kaum noch mit ihr zu tun hatte.
Zuletzt verließ der Templer zornig die Kajüte, verbeugte sich im Hinausgehen nur flüchtig vor Violante und warf die Tür hinter sich zu. Sie hörten seine Schritte draußen den Korridor hinabpoltern. Wenig später brüllte er an Deck Befehle, zu dumpf, um die Worte zu verstehen; aber es gab keinen Zweifel, dass er die Santa Magdalena verließ.
Die Gräfin sprang auf, als der Johanniter und der Ritter des Deutschen Ordens ihr Streitgespräch fortführen wollten. »Meine Herren«, sagte sie scharf, und in diesem Augenblick bewunderte Saga sie für ihren Mut, »meine Herren]«
Die Ritter verstummten und sahen sie an.
»Haltet Ihr es nicht für unehrenhaft, Euch aufzuführen wie Bauern, die über den Preis einer Kuh feilschen, wenn es hier doch um das Schicksal von fünftausend jungen Frauen geht, die zu dieser Reise aufgebrochen sind, um das zu vollbringen, was Ihr und die Euren nicht fertig gebracht habt? Sie haben keine Unbill gescheut, keine Gefahr, keine Krankheit und nicht Hunger und Durst, damit sie die Heiligen Stätten aus den Händen der Ungläubigen befreien können. Eure Orden kämpfen seit einer Ewigkeit auf den Schlachtfeldern des Heiligen Landes, und doch steht Jerusalem unter sarazenischer Herrschaft. Wir alle – diese Mädchen und ich selbst, und ganz besonders die Magdalena mit ihrem Auftrag von Gott – sind hier, um das zu ändern. Und da fällt Euch nichts anderes ein, als Eure kleinlichen Streitigkeiten vor unseren Augen auszutragen? Ich habe geglaubt, es mit Rittern und Ehrenmännern zu tun zu haben. Stattdessen brüllt Ihr Euch an wie Marktweiber! Ihr solltet Euch schämen!«
Saga stand stocksteif, während Violante mit bebender Brust und aschfahlen Zügen die Hände in die Hüften stemmte. Die beiden Ritter blickten sie an, der Vertreter des Ordo Teutonicorum mit hochrotem Kopf, der Johanniter ruhiger, beinahe amüsiert.
»Was wagt Ihr!«, ergriff der Deutschordensritter das Wort.
Violante trat auf den Mann zu, bis nur noch zwei Handbreit zwischen ihren Gesichtern lagen und sie einander in die Augen blicken konnten wie zwei Kämpfende im Handgemenge. »Ihr seid ein erbärmlicher Feigling«, fauchte sie, »und erbärmlich ist Euer Verhalten in Anwesenheit zweier Damen und im Angesicht Gottes!«
Der Ritter rang mit dem Impuls, sie zu Boden zu stoßen, ihr vielleicht gar Schlimmeres anzutun. Doch Violante blieb unverrückbar vor ihm stehen, derart in Rage, dass vermutlich selbst zehn Ritter mit gezogenen Schwertern sie nicht von ihrem eingeschlagenen Kurs hätten abbringen können. Saga, die am liebsten im Boden versunken wäre, wusste, dass Violante ihr Verhalten später bedauern würde und dass sie selbst, Saga, wahrscheinlich unter ihren Launen zu leiden haben würde. Doch in diesem Moment verspürte sie, bei allem Erstaunen und aller Scham, enormen Respekt. Und ihr wurde bewusst, dass es mit ihrer eigenen Autorität womöglich nicht gar so weit her war, wie sie geglaubt hatte. Es bedurfte eines Charakters wie dem Violantes, um ein Heer zu führen; ein paar Lügen reichten dazu nicht aus.
Der Ritter des Deutschen Ordens trat ohne ein weiteres Wort an Violante vorbei. Er ließ die Tür offen stehen, aber die Gräfin sah ihm nicht nach. Sie stand da wie zu Stein geworden, mit geballten Fäusten und kochend vor Zorn. Vielleicht realisierte sie, dass sie gerade ihre Chancen auf ein Wiedersehen mit Gahmuret verspielt hatte. Steif
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