Herrin der Lüge
verbesserte sie der Johanniter.
»Manche sagen, sie war von Dämonen besessen, ehe Christus sie austrieb!«, warf der Ritter des Deutschen Ordens ein.
»Ist sie nackt, wenn sie dir erscheint?«, fragte der Templer so betont beiläufig, dass Saga die Falle selbst auf hundert Schritt gewittert hätte.
»Glaubt Ihr etwa«, gab sie zurück, »Gott wäre nicht in der Lage, sie zu kleiden?«
Der Johanniter lachte leise, was ihm einen wutentbrannten Blick des Tempelherrn einbrachte. Er war ein älterer Mann mit grauem Haar, und er trug gleichfalls Kettenhemd und hohe Stiefel, darüber jedoch eine schwarze Robe, auf deren Brust das weiße Kreuz seines Ordens prangte. Unter seinem Arm hielt er einen Topfhelm mit Sehschlitz. Die beiden anderen Männer hatten ihre Helme auf dem Schreibtisch des Kapitäns abgelegt, wo sie einander lauernd anstarrten.
Der Johanniter räusperte sich. »Hat sie langes Haar, wenn sie dir gegenübertritt?«
»Warum sollte sie es schneiden?«, gab Saga zurück.
»Trägst du deshalb dein eigenes Haar offen bis auf den Rücken?«, erkundigte er sich, ohne auf ihre Gegenfrage einzugehen. »Obwohl doch, wie wir wissen, die Töchter Gottes das Haar unter ihren Hauben kurz zu schneiden pflegen.«
»Ich bin keine Nonne, Herr. Ich habe kein Gelübde abgelegt.«
»Das ist in der Tat eine Hürde«, mischte sich der Vertreter des Deutschen Ordens ein. Sein Mantel über dem Kettenhemd war weiß, das Kreuz darauf schwarz. Auch seine hohen Stiefel waren mit Kettengewebe überzogen. »Warum sollte der Herr uns seine Befehle durch eine gemeine Person überbringen, statt eine seiner treuen Töchter in einem der Klöster dafür zu erwählen?«
»Die Antwort darauf ist leicht, Herr«, sagte Saga, die auf diese Frage vorbereitet war. »Würdet Ihr Euch auf unseren Schiffen umsehen, müsstet Ihr feststellen, dass die meisten Kreuzfahrerinnen an Bord einfache Frauen sind, Bauerntöchter ohne Bildung, Kinder von einfachen Handwerkern oder Tagelöhnern. Nur wenige kommen aus reichem Haus oder sind gar von hoher Abstammung. Und, mit Verlaub, viele misstrauen den Klosterfrauen und Mönchen, weil deren Leben sich so sehr von ihrem eigenen unterscheidet.«
»Ein Leben für Gott!«, rief der Templer empört. »Wer könnte ihnen deswegen misstrauen?«
Der Johanniter seufzte lautstark, bevor Saga etwas erwidern konnte. »Nun, ich denke, wir verstehen alle, was sie meint. Das einfache Volk hat einfache Gedanken. Und wenn der Herr eine Gemeine erwählt, um sie anzuführen, scheint mir das in der Tat wirkungsvoller zu sein als jemand, der im Ornat oder gar von einer Kanzel herab zu ihnen spricht. Von denen gibt es wahrhaftig genug, und wir sehen doch, dass die Welt alles andere als geheiligt und rein ist.«
»Ihr versündigt Euch!«, entgegnete der Templer.
»Ich spreche nur die Wahrheit aus«, sagte der Johanniter ruhig. »Vielleicht solltet Ihr öfter Eure Festung verlassen und Euch unters Volk mischen. Dann wüsstet Ihr, wie es dort draußen aussieht.«
Die Hand des Templers sank auf den Knauf seines Schwertes, doch er hatte sich umgehend wieder in der Gewalt. Steif wandte er sich an Saga. »Hat Gott dir Versprechungen gemacht?«
»Was hat er Euch versprochen, Herr?« Einen Moment lang glaubte sie, sie wäre zu weit gegangen. Auch Violante schien den Kopf einzuziehen und blitzte sie vorwurfsvoll an. Ihre Lippen formten stumm: Lüge sie an! Nun lüge schon!
Im Gesicht des Templers zuckte es. »Du sollst Antworten geben, Weib, keine Fragen stellen. Nun sprich: Hat Gott dir Versprechungen gemacht?«
»Nur die gleichen, die er jedem von uns macht. Das Versprechen auf das ewige Leben an seiner Seite.«
»Er hat dir also den Himmel versprochen?«
»Wenn ich nach seinen Gesetzen lebe.«
»Dann brauchst du die Heilige Mutter Kirche nicht mehr für deine Erlösung?«
»O doch. Ich bin ihre treue Dienerin.«
Der hochgewachsene Ritter des Deutschen Ordens er griff das Wort. »Glaubst du, dass du Gottes Tochter bist?«
»Ihr meint, so wie Christus sein Sohn war? Warum sollte ich das glauben? Nein, ich bin nur sein Werkzeug, das er beiseite legen wird, wenn er es nicht mehr bedarf. Ich sehe, und ich höre, und ich spreche in seinem Auftrag – genauso wie einst die echte Maria Magdalena.«
»Das alles beweist überhaupt nichts«, sagte der Templer. Ich habe von Anfang an nicht an diesen Kreuzzug der Weiber geglaubt, und heute habe ich nichts gehört, das mich vom Gegenteil überzeugen könnte.«
»Ihr seid
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