Herrin der Lüge
erzählt?« Karmesin biss sich auf die Lippe, dann seufzte sie leise. »Jorinde ist schwanger. In spätestens fünf Monaten bringt sie Achards zweites Kind zur Welt.«
Triumvirat der Ordensritter
Drei Galeeren erschienen am Horizont. Eisen blitzte, als Reihen von Rittern hinter den Relingen Stellung bezogen, die Schwerter mit erhobenen Klingen an die Brust gepresst. Farbige Segel waren mit den Zeichen der drei großen Orden geschmückt. Das rote Tatzenkreuz der Templer überschattete das erste Schiff. Ein schwarzes Kreuz auf weißem Grund flatterte über der Galeere des Deutschen Ordens. An den Masten der Johanniter wehte ein weißes Kreuz auf tiefem Schwarz.
Die drei Schiffe näherten sich auf gleicher Höhe der Flottenspitze. Fahnenschwenker gaben Nachricht von einem Deck zum anderen. Auch auf den Galeeren der Kreuzfahrerinnen wurden Zeichen gegeben, von der Santa Magdalena wanderten die Signale bis zu den hinteren Schiffen.
Saga stand neben Gräfin Violante und Berengaria an der Reling und spürte Herzklopfen als dumpfe Schlagfolge in ihrer verwüsteten Wange. Drei Wochen waren seit dem Anschlag vergangen. Die Fäden waren gezogen, aber die Verletzung bot noch immer einen scheußlichen Anblick. Zwar war die Schwellung ihres Auges zurückgegangen, auch die Verfärbung hatte nachgelassen, doch der Schnitt selbst, anderthalbmal so lang wie ihr Zeigefinger, führte dunkelrot und wulstig vom Nasenrücken schräg über ihre Wange hinab bis zum Kiefer. Beim Essen musste sie Acht geben, nicht auf die Fleischwucherung im Inneren ihrer Backe zu beißen; überhaupt hatte sie Mühe mit fester Nahrung.
Die Heilerin hatte ihr versichert, dass die Schwellung im Mund zurückgehen und sie irgendwann wieder ganz normal würde essen können. Saga war davon nicht gar so überzeugt. Noch immer schmerzte die Wunde und juckte zudem ganz fürchterlich. Wenigstens war sie von einer Entzündung verschont geblieben die sie leicht das Leben hätte kosten können.
Die Ordensschiffe waren noch ein gutes Stück entfernt, aber der Ritteraufmarsch auf ihren Decks zeigte bereits Wirkung. Die Befehlshaber der Galeeren gaben sich Mühe, Eindruck zu schinden, und ohne Zweifel hatten sie Erfolg damit. Auf allen Schiffen der Kreuzfahrerflotte drängten sich die Mädchen hinter den Relingen, sogar zwischen den Ruderbänken, und starrten mit großen Augen und offenen Mündern hinüber zu den Galeeren der Ritter.
»Nun wird es also ernst«, sagte Violante in trüber Stimmung, während sich ihre Hände mit kalkigen Fingerknöcheln um die Reling ballten.
Saga war drauf und dran zu fragen, was denn wohl die Narbe in ihrem Gesicht sei, wenn nicht ernst, aber sie war nicht in der Stimmung, mit der Gräfin zu streiten. Dass Violante ihr eröffnet hatte, Faun sei längst freigelassen, hatte wenig an Sagas Gefühlen für sie geändert. Es gab Momente, in denen sie die Gräfin beinahe mochte, und andere, in denen sie nichts als Zorn, sogar Hass empfand. Im Augenblick herrschte zwischen ihnen ein unausgesprochener Waffenstillstand.
»Komm«, sagte Violante und deutete auf die Tür zum Achterkastell. »Ich muss mit dir reden. Allein.«
Saga folgte ihr ins Innere. Ihr entging nicht, dass Karmesins Blick an ihnen haftete, und auch Jorinde sah ihnen nach. Seit Saga wusste, dass die junge Adelige ein Kind erwartete, sah sie die Veränderung ihres Körpers ganz deutlich. Sie fragte sich, warum niemand sonst die nahe liegenden Fragen stellte. Nicht einmal Violante schien einen Verdacht zu hegen – oder sie hatte schlichtweg andere Sorgen.
»Jetzt ist es so weit«, sagte die Gräfin, nachdem die Tür des Kastells hinter ihnen zugefallen war. Sie blieb in dem Gang stehen, der zu den Kabinen und zur Kapitänskajüte führte. Sie waren ganz allein hier unten. Es war dunkel, nur durch Türritzen fiel schwaches Tageslicht. Violantes Gesicht lag im Halbschatten. »Was jetzt geschieht, entscheidet darüber, wie es mit uns weitergeht. Ich will, dass du dir dessen bewusst bist. Alles hängt von dir ab. Wir müssen die Ritterorden auf unsere Seite ziehen.«
»Ihr braucht mit mir nicht wie mit einem Kind zu sprechen. Ich verstehe auch so, was Ihr sagen wollt: Wenn die Orden uns nicht helfen, dann werdet Ihr Gahmuret nie wiedersehen.«
Das Gesicht der Gräfin blieb unbewegt. »Es geht nicht nur um ihn.«
»Ach?« Für einen Augenblick geriet der Pakt zwischen ihnen ins Wanken. Aber Saga war zu ausgelaugt, um Violante Vorhaltungen zu machen.
»Die Mädchen auf
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