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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wird.«
    Faun stöhnte auf und starrte an die Decke. »Sie hat dich nicht belogen«, sagte Zinder. »Falls es das ist, was du ihr so übel nimmst. Sie hat vielleicht ein paar Dinge verschwiegen – und einen falschen Namen genannt, schön und gut –, aber zumindest die Sache mit dem Dokument scheint die Wahrheit gewesen zu sein. Ihr Vater war einer der Unterzeichner des Vertrages … der König persönlich.« Zinder stieß ein bitteres Lachen aus. »Ich habe für ihn gekämpft. Und ich bin sogar mit auf diesen verdammten Kreuzzug gezogen … Aber seine Töchter habe ich nie zu sehen bekommen. Wie alt wäre sie damals gewesen? Noch ein Kind!« Er winkte ab. »Ich hätte sie eh nicht wiedererkannt.«
    »Du gibst keine Ruhe, was?«
    »Wenigstens einer von uns beiden sollte reden, sonst wird man uns noch in diesem Loch vergessen.«
    »Die Tür ist nicht verriegelt. Du kannst jederzeit gehen. Ich glaube nicht, dass dich irgendwer aufhält.«
    »Und dich in deinem Jammertal allein lassen?« Zinders Gesicht verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Ohne dass du ihre Geschichte angehört hast? Nein. Ich glaube nicht.«
    Faun ließ ein Seufzen hören.
    »Du hast Liebeskummer, das ist alles.« Zinder lachte leise, lehnte den Kopf zurück und suchte denselben unsichtbaren Punkt an der Balkendecke, den auch Faun anstarrte. »Der Bürgerkrieg endete mit Philipps Sieg, das weißt du. Mit dem Segen des Papstes wurde er zum König gekrönt, und jedermann hielt es für gesichert, dass er bald auch die Kaiserkrone tragen und damit endlich seinen Vater Barbarossa beerben würde. Seine Frau Irene war die Tochter des damaligen Herrschers von Byzanz, was unsere Tiessa – Beatrix – zur Enkelin von zwei der mächtigsten Männer der Welt macht: Barbarossa auf der einen Seite, Isaak auf der anderen. Man könnte sagen, sie und ihre Schwestern sind die Bindeglieder zwischen den beiden großen Reichen – nun, damals gab es das Reich von Byzanz ja noch … Nachdem Philipp ermordet wurde, genoss plötzlich wieder sein Rivale während des Bürgerkrieges, Otto von Braunschweig, die Aufmerksamkeit des Papstes. Otto gab sich Mühe es allen recht zu machen, und tatsächlich gelang es ihm, als König anerkannt zu werden. Die staufischen Fürsten, Beatrix’ Verwandtschaft väterlicherseits, wehrten sich jedoch dagegen, einen Welfen zum Kaiser zu krönen. Der Hass zwischen Staufern und Weifen sitzt tief, und solange kein Weg gefunden werden konnte, diese Kluft zu überbrücken, sah es schlecht aus für Ottos Pläne.« Zinder stützte sich auf einen Ellenbogen und sah zu Faun hinüber. »Genau das war der Zeitpunkt, an dem plötzlich alle Welt begann, sich für Philipps Tochter zu interessieren. Die Staufer erklärten sich bereit, Otto als Kaiser zu akzeptieren, falls er eine von ihnen zur Frau nehmen würde. Und es durfte nicht irgendeine Stauferin sein, nein, es musste Beatrix sein, Philipps leibliche Tochter, in deren Adern immerhin das Blut, Barbarossas fließt.«
    Faun rückte unruhig auf seinem Lager hin und her. »Das ist schändlich. Er ist der erbitterste Feind ihres Vaters gewesen.« »Irgendwer aus Philipps engstem Kreis muss es ihr erklärt haben. Ich glaube nicht, dass man sie zwingen musste. Sie werden ihr erzählt haben, dass von ihr der Frieden im ganzen Reich abhänge, dass nur ihre Hochzeit mit Otto einen zweiten Bürgerkrieg verhindern könne, dass sie ganz allein das Schicksal Zigtausender in Händen halte. Schöne Worte, und sicher sehr eindrucksvoll für ein junges Mädchen.«
    »Du hast sie kennen gelernt. Glaubst du wirklich, sie wäre so dumm, sich darauf einzulassen?«
    »Sie war ein Kind damals. Und das alles hat nichts mit Dummheit zu tun. Was man ihr erzählt hat, waren keine Lügen. Ihr Eheversprechen an Otto hat das Reich tatsächlich vor einem neuen Krieg bewahrt … Jedenfalls erklärten sich die staufischen Fürsten bereit, Ottos Kaiserkrönung zuzustimmen, falls es tatsächlich zur Verlobung mit Beatrix käme. Ich weiß nicht, ob Otto sie bis dahin überhaupt je zu Gesicht bekommen hatte. Aber um der Kaiserkrone willen hätte er wohl selbst des Teufels Großmutter zur Frau genommen. Warum also nicht ein Mädchen, noch dazu kein hässliches?«
    Er machte eine Pause. »Wusstest du, dass Otto und Beatrix sogar entfernt miteinander verwandt sind?«, fragte er nach einer Weile des Schweigens. »Der Papst persönlich musste ihnen Dispens erteilen – was Otto immerhin die Stiftung von zwei Klöstern gekostet hat. Aber

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