Herrin der Lüge
gibt es viele Flecken, die sich dazu eignen. Mein Hofkanzler wird dir eine entsprechende Urkunde ausstellen, die dir ein Stück Land und einen kleinen Hof zuspricht. Außerdem sollst du vier Stück Vieh aus den kaiserlichen Stallungen erhalten, des Weiteren genug Geld für deine Reise dorthin. Die Urkunde wird dir noch heute ausgehändigt werden, und wir erwarten, dass du morgen früh abreist.«
Faun sah Zinder von der Seite an. Schweiß stand auf der Stirn des Söldners, und es war unmöglich zu erkennen, was ihm durch den Kopf ging. Stand ihm der Sinn tatsächlich nach einem Leben als Bauer? Es war eines, sich ein solches Dasein auszumalen, während man in Kriegen kämpfte; aber etwas ganz anderes, tatsächlich den Pflug anzuspannen und einen Bullen über den Acker zu treiben. Und würde er dafür seine Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit Violante aufgeben?
»Jetzt zu Euch, Meister Faun«, sagte der Kaiser. Meister Faun klang ein wenig lächerlich, und Faun war nicht sicher, ob sich der Welfe über ihn lustig machte. Ahnte er, dass die wahre Gefahr für seine Braut weder von verwahrlosten Seemännern noch von einem gealterten Söldner ausging? »Die Prinzessin wusste mir leider keine angemessene Belohnung zu nennen, die Euer Zutun in dieser Angelegenheit aufwiegen könnte. Möchtet Ihr Euren Freund begleiten? Gerne will ich Euch dasselbe anbieten wie ihm, Land und Vieh und ein friedliches Leben in der Heimat.«
Aller Augen waren nun auf Faun gerichtet, und er fürchtete, nicht einmal den Mund aufzubekommen, um etwas zu erwidern. Als Gaukler war er daran gewöhnt, im Mittelpunkt zu stehen. Doch das hier war etwas anderes.
Seine Knie zitterten, als er schließlich sagte: »Wenn Ihr gestattet, Eure Majestät, so habe ich nur einen einzigen Wunsch.«
Tiessas Augen schlössen sich für einen Herzschlag, als ahnte sie, was jetzt käme.
»So nenne ihn uns«, sagte der Kaiser geduldig.
Nicht, formten Zinders Lippen.
»Ich würde gerne, mit Eurer kaiserlichen Erlaubnis, unter vier Augen mit der Prinzessin sprechen. Das ist alles. Nur ein paar Worte.«
Das Schweigen war wie Donnerschlag. Es übertönte alles andere, jeden Atemzug, das empörte Keuchen Scharffenbergs, selbst Fauns eigenen Herzschlag, der wie wahnsinnig in seiner Brust stampfte.
Hinter ihnen knirschten Leder und Eisen, als die beiden Soldaten am Eingang auf einen Wink des Hofkanzlers hin einen Schritt in den Raum hineintaten. Auch die vier Leibgardisten schienen noch angespannter, obgleich sie starr standen wie Skulpturen.
Der Kaiser verzog im ersten Moment keine Miene. Dann wandte er sehr langsam den Kopf und sah Tiessa an. Sie hatte die Augen längst wieder geöffnet, schien aber sekundenlang nicht sicher zu sein, wohin sie schauen sollte. So streifte ihr Blick erst Faun, dann Zinder. Schließlich straffte sie sich und sah ihren künftigen Gemahl an. Und im selben Moment überkam Faun ein Begreifen, das sich wie Nebel über seine Furcht legte.
Er hatte sich geirrt. Otto benutzte Tiessa nicht einfach. Er mochte sie tatsächlich. Gott, ja, er verehrte sie. Und er wartete auf ein Signal von ihr, eine Entscheidung, die tatsächlich sie treffen sollte!
Scharffenberg räusperte sich. Zinder seufzte.
Ein Soldat scharrte mit den Stiefeln. Und Tiessa sagte zum Kaiser: »Gewährt es ihm.«
Die Asche der Wahrheit
Sie trug das Amulett des Mithras, als sie zu ihm in die Kammer kam, Elegeabals Anhänger, den ihr der Traumdeuter auf Hoch Rialt überreicht hatte. Vielleicht war er schon während der Audienz unter ihrem Kleid gewesen, Faun war nicht sicher. Jetzt schimmerte der goldene Stierkopf offen auf dem edlen Seidenstoff.
»Man hat mir gesagt, ich würde zu dir geführt«, sagte Faun überrascht, als er von seinem Lager aufsprang. Er hatte dort gelegen und ungeduldig in die Flamme einer tönernen Öllampe gestarrt. Draußen vor dem offenen Fenster stieg die Abenddämmerung düstergrau aus der Gasse empor.
Zinder war fort, vorgeblich, um seine Urkunde abzuholen, tatsächlich aber, um sich im Dorf umzusehen.
»Otto wollte, dass unser Treffen in seinen Räumen stattfindet«, sagte Tiessa. »Aber er würde uns nur belauschen lassen. Ich habe Scharffenberg überredet, mich herzuführen.«
Ausgerechnet Scharffenberg?, dachte er, und sie sah ihm seine Befürchtungen an.
»Täusche dich nicht in ihm«, sagte sie sanft. »Er war meinem Vater treu ergeben. Ich kann ihm vertrauen.«
»So?«
Sie lächelte auf diese schrecklich überlegene Art. Er hatte
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