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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Söldnerführerin war erschüttert, weil offenbar einige ihrer erfahrensten Kriegerinnen an der Meuterei beteiligt waren; und trotzdem waren da noch genug, die ihr treu blieben, um eine Leibgarde von sechs oder sieben Söldnerinnen zu bilden. Manch einer wurde jetzt erst gewahr, was vorgefallen war. Andere hatten mit den zurückgebliebenen Mädchen und Ruderknechten unter Deck abwarten wollen, welchen Ausgang der Überfall brachte. Berengarias Zorn ließ ein paar von ihnen Vernunft annehmen, während andere sich tiefer in die Schatten der Unterdecks zurückzogen und ausharrten.
    Angelotti hatte brüllend ein paar Matrosen an Deck befohlen, die sich eilig bereit erklärten, das Boot mit der Magdalena an Land zu rudern. Die Männer sahen nicht besonders glücklich darüber aus, aber sie waren lediglich Zauderer, keine Meuterer. Der Kapitän glaubte ihnen vertrauen zu können, und Saga hatte ohnehin keine andere Wahl.
    Während sich das Boot der Insel näherte, wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe offenbar.
    Das Dorf war jetzt von Feuerlohen übersät, deren Schein die Felshänge mit einem wabernden Raster aus Goldgelb und Blutrot überzog. Andere Flammen beschienen die Unterseiten der schwarzen Rauchwolken, hinter denen immer rascher die Sterne verloschen. Eine Kakophonie von Schreien drang aus dem Irrgarten der gekalkten Gassen aufs Meer hinaus.
    Sagas Hand krampfte sich so fest um den Rand des Ruderboots, dass sich Splitter in ihre Finger bohrten. Berengaria fluchte vor sich hin, während Violantes versteinerte Miene kein Anzeichen irgendeiner Regung zeigte.
    »Vielleicht hat es ja so kommen müssen«, flüsterte Karmesin.
    Violantes Kopf fuhr herum und schenkte ihr einen bösartigen Blick, aber ihre Lippen blieben fest aufeinander gepresst und schneeweiß.
    Am Ufer saßen ein paar Mädchen und hielten Brotfladen in den Händen. So gierig bissen sie davon ab und kauten, dass sie die Ankunft ihrer Anführerinnen erst bemerkten, als der Kiel des Ruderboots über Sand scharrte. Einige sprangen auf und verschwanden zwischen den Häusern, andere blieben sitzen, stopften sich wie apathisch Brot und Käse in den Mund und starrten mit großen Augen ins Leere. Das Wams der einen war mit Blut bespritzt.
    Berengaria sah es ebenfalls, zog wütend ihr Schwert und stiefelte durch den Sand auf das Mädchen zu. Sie hatte ihre Waffe bereits zum Hieb erhoben, als Saga brüllte. »Berengaria! Nicht!«
    Das Mädchen sah wie willenlos zu der Söldnerin auf, während zwei andere auf die Füße taumelten und sich davonmachten.
    »Sie haben nichts begriffen!«, keuchte Berengaria und ließ die Klinge noch immer nicht sinken.
    »Du hast ihnen beigebracht zu töten«, bemerkte Karmesin. »Jetzt töten sie.«
    Die Söldnerführerin sah über die Schulter zu der Konkubine herüber, als wollte sie die Waffe nun gegen sie wenden. Dann aber entspannten sich ihre Züge, sie gab dem Mädchen am Boden einen Tritt gegen die Schulter, der es zurück in den Sand schleuderte, dann fluchte sie und kam mit weit ausgreifenden Schritten zurück zu den anderen.
    Das Mädchen rollte sich hinter ihr herum und warf sich mit dem Körper schützend über das Brot, als fürchtete es, jemand könnte es ihr wegnehmen.
    »Gott, was haben wir nur aus ihnen gemacht«, murmelte Violante.
    Saga dachte, dass es für diese Erkenntnis nun wirklich ein wenig zu spät war.
    Gemeinsam liefen sie über den Strand auf die vordere Reihe der Häuser zu. Die meisten Feuer tobten tiefer im Zentrum des Dorfes, aber auch hier vorn waren alle Türen und Fensterläden aufgebrochen worden. Aus manchen Gebäuden erklang Wimmern, in anderen herrschte Stille, die noch größeres Unheil verhieß. Einmal kam ihnen rückwärts aus einem Eingang eine Söldnerin entgegen und zerrte einen Ziegenbock an den Hörnern hinter sich her; das weiße Fell war mit Blut gesprenkelt. Berengaria packte die Frau von hinten und schlug ihr so fest die Faust ins Gesicht, dass Saga die Knochen splittern hörte.
    % Ihr Verstand war wie gelähmt, als sie inmitten der anderen durch die Gassen eilte. Immer wieder kamen ihnen nun Kreuzfahrerinnen und marodierende Söldnerinnen entgegen. Fast alle bogen hastig in Seitengassen oder drückten sich in Durchgänge, wenn sie erkannten, wer da an Land gekommen war. Berengaria gab es widerwillig auf, jede Einzelne zur Verantwortung ziehen zu wollen, und irgendwann verschmolzen all die hysterischen, schreienden, blutigen Gesichter zu einer einzigen Schreckensmasse.
    Keine

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