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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Piratenprinz ungewollt in seine Richtung. Qwara fuhr zornentbrannt zu dem Ritter herum –
    - und wurde getroffen.
    Der Afrikaner wurde wie von einem Faustschlag nach hinten geworfen, zwei, drei Schritt weit, hielt sich irgendwie auf den Beinen und schnellte dann wie ein Raubtier wieder nach vorn, leicht vornübergebeugt, die linke Hand auf die rechte Schulter gepresst. Der Pfeilschaft ragte zwischen seinen Fingern hervor.
    Karmesin verwandelte sich in einen blitzschnellen Schemen und verstellte Saga so abrupt die Sicht, dass die kaum wusste, wie ihr geschah. Hände packten sie von hinten, rissen sie zurück. Berengaria und die Leibgarde rückten vor.
    Aber Qwara griff niemanden an. Langsam und stolz richtete er sich auf, nahm die blutige Hand von der Wunde und spannte sich, als wäre da kein Pfeil in seiner Schulter. Er würdigte Jorinde oben auf dem Tor keines Blickes. Nur Saga sah er an, blickte forschend in ihren Geist, dann zum Himmel empor.
    Er spürt es auch, dachte sie panisch.
    »Bei Sonnenaufgang.« Qwaras Stimme klang so leise, dass Saga ihn kaum verstehen konnte. Dann wandte er sich ab, achtete nicht auf Achard, der ihm eilig nachlief, auch nicht auf seine Kämpfer, die eine Gasse für ihn bildeten. Als gäbe es nur ihn und Saga, so stieg er den Berg hinab und ließ sie dort oben stehen, allein auf der Brücke.
    »Komm«, sagte Karmesin und führte sie zurück durchs Tor. Kommt müsste es heißen, dachte Saga benebelt und folgte der Konkubine wie eine Schlafwandlerin. Tief in sich glaubte sie Gelächter zu hören. Es klang wie die Stimme des Prinzen Qwara, vermischt mit dem Lachen von etwas ganz und gar anderem.

Das Ende
     
    Es war am Abend des nächsten Tages, als die Piraten beim ersten Anzeichen der anbrechenden Dämmerung ihren Angriff auf den Tempelberg eröffneten. Saga hatte eine quälende Nacht hinter sich, in der sie mit sich gerungen hatte. Sie hatten die Frist im Morgengrauen ungenutzt verstreichen lassen. Es würde zur Schlacht kommen. Viele Menschen würden sterben, auf beiden Seiten.
    Insgeheim fragte sie sich, welche Entscheidung sie wohl getroffen hätte, wenn es nicht um tausend Frauen, sondern nur um eine einzige gegangen wäre. Hätte sie Jorinde ausgeliefert? Nein, ganz bestimmt nicht. Das war es, was sie von Violante unterschied. Saga war unfähig zu taktieren oder abzuwägen. Sie folgte ihren Gefühlen.
    Jorinde hatten sie in Obhut der Priester zurückgelassen. Sie beteten mit ihr, hatten ihr die Beichte abgenommen und schirmten sie vor jenen ab, die ihr die Schuld an der kommenden Schlacht geben wollten. Das war Torheit, gewiss. Nicht Jorinde traf die Schuld an dem, was kommen würde. Es war allein Sagas Entscheidung. Ihre Schuld, so oder so.
    Es begann mit einem Pfeilhagel aus dem Irrgarten der Felsspalten. Bogenschützen mussten schon in der vergangenen Nacht dort Unterschlupf gesucht und den Tag über dort ausgeharrt haben. Die Männer dort unten waren ausgeruht und weitgehend von der Hitze verschont geblieben, was ihnen einen erheblichen Vorteil verschaffte. Andererseits würden sie, sobald sie ihre Pfeile verschossen hatten, den Berg heraufstürmen müssen, und das würde selbst in der Abenddämmerung eine Tortur werden.
    Eine Schlacht in der Dunkelheit war ungewöhnlich, gar absurd, sagte Berengaria, aber die Hitze machte Freund und Feind gleichermaßen zu schaffen.
    Sie griffen von Norden her an, der Küstenseite, obgleich einzelne Trupps von Feinden auch im Tal zwischen den Olivenbäumen ausgemacht worden waren. Der Hagel aus tödlichen Geschossen ging auf das gesamte Plateau nieder, ein mörderisches Geprassel rasiermesserscharfer Eisenspitzen und berstender Schäfte, denen das Heer der Kreuzfahrerinnen nur ihre Schilde, Helme und Rüstungen entgegenhalten konnten. Viele der Ruderknechte und Seemänner waren ungeschützt, und so forderte der erste Angriff unter ihnen den höchsten Blutzoll. Auch das mochte Qwara so geplant haben. Noch immer schien er darauf zu hoffen, dass sich die Männer auf dem Berg gegen die Frauen stellten, erst recht wenn ihnen klar wurde, dass sie größeren Schaden davontrugen als jene, auf die der Angriff eigentlich abzielte.
    Nun aber erwiesen sich die Bindungen, die viele der Mädchen mit Männern von den Schiffen eingegangen waren, als unerwarteter Vorteil. Viele Ruderer waren mit einem Mal bereit, für ihre Liebsten zu kämpfen, gar mit dem Leben für sie einzutreten. Saga sah einen jungen Mann, der sich im Pfeilhagel vor eines der Mädchen

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