Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Frauenstimme, und dann traten zwei weitere zerlumpte Gestalten hinter dem letzten Scheiterhaufen hervor. Sie mussten sich dort versteckt haben, als die drei das Plateau betreten hatten. »Sie hat den Verstand verloren«, sagte die ältere der beiden.
    Das Mädchen schlug mit gekrümmten Krallenfingern nach Zinder.
    »Wird sie damit aufhören, wenn ich sie loslasse?«
    Die dritte Frau seufzte, kam näher und packte das Mädchen am Arm. Erst wollte es auch nach ihr schlagen, dann aber erlahmte das Gezappel und Gezeter. »Lass sie in Frieden«, sagte die Frau zu Zinder. »Sie könnte dich niemals ernsthaft verletzen.«
    Zinder verzog skeptisch das Gesicht.
    »Bitte, gib sie frei.«
    Widerwillig ließ er die Wahnsinnige los und trat vorsichtshalber einen Schritt nach hinten. Die Frau zog das Mädchen an sich und barg sein Gesicht an ihrer Schulter.
    »Ihr stört die Ruhe der Toten«, sagte die ältere Frau und trat neben ihre beiden Begleiterinnen. »Was sucht ihr hier? Wir haben euer Schiff gesehen und fürchteten, ihr wärt Piraten.«
    Faun rappelte sich hoch. Tiessa wollte ihm helfen, aber er schüttelte kaum merklich den Kopf. Der Angriff hatte ihn wieder klarer werden lassen. Bedrückung und Ekel blieben, aber er war jetzt nicht mehr überzeugt, dass sich Sagas Leichnam irgendwo unter diesen Scheiterhaufen befand.
    »Die Magdalena«, platzte er heraus. »Wo ist sie?«
    Die Frau, die das Mädchen hielt, blickte auf. »Ihr sucht die Magdalena? Da kommt ihr zu spät.«
    Fauns Hoffnung sackte in sich zusammen.
    »Ist sie tot?«, fragte Tiessa.
    Die Frauen wechselten einen Blick, während das Mädchen noch immer wie leblos in den Armen seiner Gefährtin lag. »Nein, tot ist sie nicht«, sagte die ältere. »Aber sie ist nicht mehr länger die Magdalena. Das hat sie selbst gesagt. Gottes Wort hat sie verlassen. Schaut euch um! Wundert euch das vielleicht? Gott ist diesem Ort so fern wie die Sterne.«
    Faun drängte sich an Zinder vorbei, ungeachtet der Tatsache, dass er sich damit wieder in die Reichweite des Mädchens begab.
    »Wo ist sie jetzt? Noch hier auf der Insel?« Daran glaubte er selbst nicht, aber er redete schneller, als er denken konnte.
    »Sie ist fort«, sagte die ältere Frau. »Sie sind alle fort. Die einen nach dort« – sie zeigte nach Westen – »die anderen da entlang.« Ihre Hand wies nach Osten, dorthin, wo irgendwo jenseits des Horizonts das Heilige Land lag.
    »Ihr habt Qwaras Piraten geschlagen«, stellte Zinder fest. »Das müssen mehrere tausend sein, die unten zwischen den Felsen und auf der anderen Seite der Brücke liegen. Wie viele von euch haben es geschafft?«
    »Alle, die nicht hier liegen«, sagte die ältere Frau, von der Faun nun annahm, dass es sich um eine der Söldnerinnen handelte, die den Zug der Jungfrauen seit Mailand begleitet hatten. Sie deutete auf die verbrannten Leichenberge. »Einige tausend sind umgekehrt in die Heimat. Sechzehn von siebzehn Schiffen. Nur eines ist weitergefahren gen Osten. Die Magdalena war bei ihnen, genauso wie die Gräfin und die Hure des Papstes.«
    Faun atmete auf, und Tiessa schenkte ihm ein schwaches Lächeln.
    »Was ist mit euch?«, fragte Zinder die Frauen. »Warum seid ihr hier geblieben?«
    Die Söldnerin schenkte ihm ein bitteres Lächeln. »Du siehst aus wie einer, der was vom Kämpfen versteht. Wenn du den Krieg kennst, dann weißt du, dass Menschen schlechter brennen als nasses Laub. Ich bin hier geblieben, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Ich werde Feuer an sie legen, bis nichts mehr übrig ist. Und dann, vielleicht, geselle ich mich dazu.« Sie hob die Schultern. »Oder ich warte auf das nächste Schiff.«
    Sie wirkte nur nach außen hin klarer als das verrückte Mädchen, doch in Wahrheit war ihr Geist kaum weniger verwirrt.
    »Die Kleine hier kam aus den Felsen gestolpert, nachdem die Flotte abgelegt hatte«, sagte die Frau mit dem Mädchen im Arm und bekannte freimütig: »Auch ich bin fortgelaufen, schon zu Beginn der Kämpfe. Als ich zurückkam, war alles vorbei. Gunda hier hat uns aufgelesen, und jetzt helfen wir ihr.«
    »Ihr könnt mit uns kommen«, schlug Tiessa vor. »Wir nehmen euch mit, irgendwohin, wo ihr in Sicherheit seid.«
    »Wo könnten wir sicherer sein als hier?«, fragte die Söldnerin. »Sicherer als unter den Toten?«
    »Ihr werdet verhungern«, sagte Zinder.
    »Dann lasst uns Vorräte hier. Nur ein paar, so viele ihr entbehren könnt.«
    »Ihr seid wahrlich verrückt.«
    »Glaubst du wirklich, deine

Weitere Kostenlose Bücher