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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ich wollte Geschäfte mit den Byzantinern machen, als diese Bastarde mit ihren Schiffen und Schwertern und schlechten Manieren kamen und alles dem Erdboden gleichgemacht haben. Gahmuret von Lerch war einer von ihnen. Ich kann mich gut an ihn erinnern, weil er immer eine Maske trug.«
    »Was für eine Maske?«, fragte Zinder.
    »So ein Lederding. Hatte wohl Narben im Gesicht, unschöne Narben. Irgendwer hat erzählt, er habe sie sich bei der Schlacht um Zara eingefangen, zu der die Venezianer die Kreuzfahrer … nun, überredet hatten.«
    »Er war verletzt?« Faun wurde hellhörig. »Schwer genug, um daran zu sterben?«
    Katervater schüttelte den Kopf. »Als ich ihn gesehen habe, war er quicklebendig. Maskiert, aber ganz sicher nicht geschwächt. Nein, gestorben ist er an seinen Wunden bestimmt nicht. Obwohl das einigen hohen Herren wohl lieber gewesen wäre, nach allem, was man so hören konnte.«
    »Erzähl weiter«, forderte Zinder.
    Faun wusste, dass der Söldner selbst an den Kämpfen um Konstantinopel teilgenommen hatte, aber offenbar war ihm dabei weder Gahmuret noch Katervater über den Weg gelaufen. Kein Wunder, unter tausenden von Rittern und Vasallen.
    Der Händler tupfte sich mit dem Ärmel über den Kahlkopf. In Anbetracht seines Körperumfangs litt er von ihnen allen am meisten unter der Hitze über der griechischen See. »Nun, Gahmuret war wohl dem einen oder anderen im Wege. Genaues weiß ich nicht, aber man erzählte sich, dass es in Konstantinopel ein Attentat auf ihn gegeben hat. Die einen behaupteten, König Philipp habe den Befehl dazu gegeben; der Papst war’s, sagten die anderen. Aber wenn ihr mich fragt, so kann es genauso gut irgendein Ritter gewesen sein, dem er unterwegs übel mitgespielt hat. Gahmuret war kein, sagen wir, freundlicher Mann. Ich selbst bin ihm zweimal begegnet, und ich kann nicht sagen, dass ich ihn auf Anhieb ins Herz geschlossen hätte. Jedenfalls wird er wohl seine Gründe gehabt haben, Hals über Kopf aus Konstantinopel zu verschwinden.«
    Faun nickte nachdenklich. Das alles machte Sinn. Wenn Gahmuret tatsächlich einer der Verschwörer gewesen war, war er im Besitz eines Wissens, das manch anderem gefährlich gewesen sein konnte.
    Der Söldner betrachtete derweil Katervater argwöhnisch. Er trat auf den Händler zu und bohrte ihm einen Finger in die Brust. »Dein Reliquienfundus geht nicht zufällig auf einträgliche Geschäfte mit ein paar Heerführern zurück? Die Kirchen Konstantinopels sind vom Boden bis zu den Turmspitzen geplündert worden, und vieles verschwand noch während der ersten Tage.«
    Katervater stieß ein seltsam verschlucktes Lachen aus und hielt sich dabei den mächtigen Bauch. »Tja, nun, was soll ich sagen? Als unabhängiger Kaufmann macht man das Beste aus allem, nicht wahr? Die Byzantiner, mit denen ich Handel treiben wollte, waren von einem Tag zum nächsten … nicht mehr da. Und Gahmuret und all die anderen Anführer … nun, sie haben die Venezianer gehasst und waren froh über jedes Stück, das nicht in den Schatzkammern des Dogen landen würde.« Er hielt kurz inne. »Aber es gab Schlimmere als Gahmuret, weit Schlimmere. Das waren dunkle Tage. Viele hätten gut daran getan, es zu machen wie er und einfach zu verschwinden. Ich frage mich, wie diese Männer ihren Familien zu Hause wieder in die Augen sehen konnten. Aber sie haben einfach weitergemacht, als wäre nichts geschehen.«
    »Und Gahmuret?«, fragte Faun.
    »War eines Tages fort, zusammen mit einem Haufen seiner Getreuen. Kurz darauf kehrten die meisten anderen zurück in ihre Heimat, und auch ich habe bald der Stadt den Rücken gekehrt. Hat Wochen gedauert, den Gestank des Rauchs und der Toten aus der Nase zu bekommen. Manchmal kam’s mir vor, als wäre mir der Geruch gefolgt, sogar mitten aufs Meer hinaus. Aber dann ist mir klar geworden, dass das alles nur in meinem Kopf existiert hat. Der Gestank, die Geräusche der Schlacht, die Schreie der Menschen … es war alles noch eine Ewigkeit da oben.« Er klopfte sich an die Schläfe. »Und ich habe nicht einmal irgendwem ein Haar gekrümmt. Wie soll es da erst in den Köpfen der Männer ausgesehen haben, die wirklich schuldig waren?« Ein Blick in Zinders Richtung, doch als der Söldner ihm finster standhielt, sah Katervater eilig zu Boden.
    »Wo wird Violante Gahmuret suchen?«, fragte Faun. »Wo wird sie hingehen?«
    »Wenn sie es auf die Hilfe der Ordensritter abgesehen hat, dann sicher zu einer ihrer Festungen«, entgegnete

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