Herrin der Lüge
Meinung hätte hier draußen irgendeine Bedeutung?« Die Söldnerin lächelte milde. »Und nun geht. Wir werden bleiben. Das ist unsere Bestimmung.«
Die zweite Frau nickte, während das Mädchen in ihrem Arm weiterschluchzte.
»Was ist mit ihr?«, fragte Zinder.
»Kannst du sie heilen?«, fragte die Söldnerin. »Oder sonst irgendwer? Wollt ihr sie einem Schicksal in den Straßen irgendeiner Stadt ausliefern, wo sie Freiwild ist für Verbrecher und Menschenschinder? Nein, sie bleibt bei uns.« Sie machte eine allumfassende Bewegung und lächelte wieder. »Bei uns und dem Wind und der Sonne und dem Meer.«
Die Johanniterburg
Der Hafen, vor dem die Santa Magdalena vor Anker ging, verdiente diese Bezeichnung nicht einmal in den überheblichsten Träumen jener, die ihn vor Jahrzehnten angelegt hatten. Er war die erste Ansiedlung im Land der Sarazenen, die Saga zu sehen bekam, und war weit entfernt von all der Herrlichkeit und Pracht, die die Priester daheim in ihren Berichten über das Land des Herrn heraufbeschworen.
Vielmehr handelte es sich um eine militärische Garnison des Johanniterordens, landeinwärts umringt von windgepeitschten Palisaden aus Holz. Die nötigen Stämme hatte man von weit her herangeschafft, denn an der kargen Küste gab es keine Wälder. Im Inneren der Palisaden gab es ein paar gemauerte Gebäude aus Basalt, klobig und zweckdienlich, eine Unzahl hölzerner Baracken und Dutzende Zelte, auf deren eingedellten Planen sich feiner Sand sammelte; zahllose weitere drängten sich außen an den hölzernen Verteidigungswall, wo einheimische Händler, aber auch Kaufleute aus dem Abendland ihre Waren anpriesen.
Zu Sagas Überraschung legte Karmesin dem Hafenmeister eine Urkunde mit dem Siegel des Patronats Petri vor, die sie als persönliche Gesandte des Heiligen Vaters auswies. Violante musste von der Existenz dieses Dokuments gewusst haben, denn sie zeigte keinerlei Erstaunen, als die Konkubine das Pergament vor dem Johanniter entrollte. Sagas Augen wurden vor Erstaunen immer größer, als der Ritter äußerste Dienstbeflissenheit entwickelte und in Windeseile alles Nötige veranlasste, um den Frauen eine Weiterreise zu ermöglichen. Das, was der Gräfin allein nie gelungen wäre, hatte Karmesin fast beiläufig erreicht.
Ihr erstes Ziel war die Festung Margat, größter Stützpunkt der Johanniter in Syrien und bestmöglicher Ausgangspunkt für eine Reise zum Krak des Chevaliers, jener Burg, von der der Gesandte auf See gesprochen hatte.
Ein abgelegener Außenposten, hatte er gesagt, ein letztes Stück christliche Zivilisation, bevor die Welt in Barbarei versinkt.
Jenseits davon, im Nirgendwo heidnischer Einöde, wüteten Gahmuret und seine Getreuen.
Doch bevor Violante, Saga und die anderen ihre Reise fortsetzen konnten, hieß es erst einmal Abschied nehmen. Mehr als die Hälfte der zweihundert Frauen, die sie das letzte Stück des Weges über die See begleitet hatten, waren bereits auf Zypern zurückgeblieben, wo der fünfzehnjährige König Hugo und seine Frau Alice im Sinne der Kirche regierten. Alice hatte sich, gerührt vom Schicksal der Frauen, bereit erklärt, die Kreuzfahrerinnen aufzunehmen und sich um ihre vorläufige Unterbringung und Versorgung zu kümmern.
Kaum sechzig Mädchen hatten schließlich die Reise auf der Santa Magdalena ins Heilige Land fortgesetzt. Nachdem sie dort an Land gegangen waren und Karmesin ihren päpstlichen Freibrief präsentiert hatte, bekamen sie Gelegenheit, sich einer Johanniterkarawane nach Antiochia anzuschließen. Dort, im Norden Syriens, galt die Herrschaft der Christen als gesichert. Das Fürstentum Antiochia florierte, und die Zahl der Frauen war wie in allen Kreuzfahrerstaaten gering.
Obwohl ihre Suche nach Gahmuret wahrlich unter keinem guten Stern gestanden hatte, wirkte Violante nach dem Abschied von den Resten ihres Heeres erleichtert und manchmal geradezu ausgelassen. Sie konnte es nicht erwarten aufzubrechen. Ihr Plan, die Ordensritter mit dem Jungfrauenheer zu beeindrucken, war zwar längst gescheitert. Aber dank Karmesin hatte sie ihr Ziel auch ohne ein Heer von fünftausend Jungfrauen erreicht. Saga erschien die Gräfin weitaus fanatischer als zu Beginn ihrer Reise, doch sie schrieb das der Tatsache zu, dass ihr Wiedersehen mit Gahmuret endlich in greifbare Nähe rückte.
Zu viert verließen sie schließlich im Gefolge mehrerer Johanniter die Hafengarnison und machten sich auf den Weg nach Margat. Karmesin ritt als offizielle
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