Herrin der Lüge
Jerusalem vorbereiten. Und wenn dort unten gekämpft wird, kann niemand ein zweites Schlachtfeld hier im Osten gebrauchen. Seldschuken und Sarazenen würden uns zwischen sich aufreiben.«
»Gahmuret ist also der Preis, der die Seldschuken ruhig stellen soll«, sagte Violante verächtlich.
»Was mit ihm geschieht, hat er sich selbst zuzuschreiben, Gräfin. Wir haben uns ihnen gegenüber lediglich verpflichtet, ihm nicht zu Hilfe zu kommen. Das ist alles.«
Violante erwiderte nichts, sondern verfiel wieder in düsteres Schweigen, während die anderen unsichere Blicke wechselten.
»Ich war der Meinung, dass Ihr über all dies Bescheid wissen solltet«, sagte Dürffenthal. »Ich hätte es vorgezogen, wenn man Euch auf dem Krak über die Lage in den Seldschukengebieten in Kenntnis gesetzt hätte. Aber meine Oberen hielten das für falsch.
Das bedeutet, ich habe gerade gegen ihren ausdrücklichen Befehl verstoßen. Zu unserer aller Bestem, hoffe ich.«
Damit trieb er sein Pferd voran und kehrte an die Spitze des Zuges zurück.
Violante blickte ihm lange hinterher. Faun hatte Tränen erwartet, oder Wut. Doch Violante sah eher nachdenklich aus.
Sie ließ ihr Pferd zurückfallen, und lange Zeit hörten sie kein Wort mehr von ihr.
Aus der Ferne sah es aus wie ein Fluss, und doch war es keiner.
»Basaltstaub«, sagte Wolfram von Dürffenthal, als sie die Pferde auf einem Felsplateau Halt machen ließen und hinab in ein geschlängeltes Tal blickten. »Eine Ader aus reinem Staub, die sich über viele Meilen von Norden nach Süden erstreckt. Wenn es doch so etwas wie eine Grenze gibt, die das Land selbst gezogen hat, dann ist es diese hier.«
Man hätte es tatsächlich für einen Flusslauf halten können, der in weiten Bögen die Senke zwischen den Felsen teilte. An der schmalsten Stelle maß der bizarre Strom aus Basaltstaub eine Breite von hundert Schritt. Dort reichte eine Hängebrücke von einem Ufer zum anderen.
»Weshalb diese Brücke?«, fragte Faun und deutete auf das lange Band aus Seilen und Brettern. »Wenn das da unten kein Wasser ist, warum können wir dann nicht einfach darüber hinwegreiten?«
»Ich habe Männer in diesem Staub versinken sehen wie in einem Sumpf«, sagte der Ritter. »Er ist feiner als Mehl, aber so schwer wie Blei. Der Wind weht seine oberen Schichten auf, aber niemals mehr als ein Fingerbreit. Es ist, als wollte der Allmächtige selbst, dass der Staub dort bleibt, wo er ist.«
Einige der Johanniter schlugen Kreuzzeichen, und Tiessa tat es ihnen gleich.
Das gewellte Hügelland war am Vortag hinter ihnen zurückgeblieben. Seit dem Morgengrauen hatten sie eine öde Gesteinslandschaft durchquert. Zyklopische Hindernisse, scharfkantig und unüberwindlich, hatten sie immer wieder weite Bögen schlagen lassen, während die Hufe ihrer Pferde über loses Geröll scharrten. Dann und wann kreisten Vögel über ihnen in der wabernden Hitze.
Sie lenkten ihre Rösser und Packpferde den Hang hinab und näherten sich dem Felsvorsprung, von dem aus sich die Brücke über den Staubstrom spannte. Dürffenthal ließ einige Ritter ausschwärmen, um die Umgebung zu erforschen, aber keiner stieß auf Anzeichen eines Hinterhalts.
In einer langen Linie, einer hinter dem anderen, führten sie ihre Pferde an den Zügeln über den Steg. Aus der Nähe sahen die Bretter noch morscher aus, aber Dürffenthal versicherte ihnen, dass er die Brücke schon viele Male unbeschadet überquert hatte. Faun bemerkte, dass Tiessa mit einer Hand die kleine Phiole umfasste, die Katervater ihr an Bord der Sturmhochzeit gegeben hatte.
Vielfach fehlten einzelne Bretter, und sie mussten Acht geben, dass sich keines der Pferde in den Lücken verfing. Als sie auf der anderen Seite ankamen, war ihnen allen nach einer neuerlichen Rast zumute, doch Dürffenthal und die Späher trieben sie zur Eile.
»Dort hinauf.« Der Johanniter zeigte auf einen schrundigen Felsenkamm, etwa eine halbe Stunde vor ihnen. »Von da aus können wir unser Ziel sehen.«
Das gab ihnen neuen Antrieb, und bald blieb der geisterhafte Strom mit seinen erstarrten Staubwogen hinter ihnen zurück. Basaltstaub knirschte zwischen ihren Zähnen und brannte in ihren Augen. Selbst Karmesin wirkte längst nicht mehr so makellos und reinlich wie bei ihrem Aufbruch vom Krak vor vier Tagen. Ihre schwarze Mähne war grau gepudert und ließ sie älter erscheinen. Dunkle Ringe hatten sich unter ihre Augen gelegt.
Schließlich lenkten sie ihre Pferde die zerklüftete
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