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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Anführer der Johanniter.
    Dürffenthal nickte.
    »Und von uns erwartet Ihr, dass wir zusehen?« Zinder sprach so ruhig, dass die anderen den Atem anhielten. »Zusehen, wie Ihr dort hinaufgeht und in diesem Schlachthaus verschwindet?«
    »Mach dir nichts vor, Zinder.« Die Gräfin trat einen halben Schritt zurück. Sie blickte zu Boden, dann mit einem Ruck hinauf zur Festung. »Das hier ist das Ende.«
    Und damit trat sie aus dem Kreis der Gefährten, als wollte sie nur kurz etwas erledigen, ging an den Seldschuken vorüber und machte sich an den Aufstieg zum Burgtor. Niemand versuchte, sie zurückzuhalten, als sie zwischen den Pfahlreihen und halb verschütteten Gräben den Hang hinaufging. Nicht einmal Zinder.
    »Ich würde dasselbe tun«, sagte Tiessa unvermittelt.
    Faun wandte sich mit fragender Miene zu ihr um.
    »Sie hat sich entschieden, und sie steht dazu.« Tiessas Lider flackerten kurz, aber dann hatte sie sich wieder im Griff. »Statt sie zu bedauern, sollten wir sie bewundern.«
    »Für das, was sie getan hat?«, fragte Saga zweifelnd.
    Tiessa schüttelte den Kopf, aber es war Karmesin, die ihr die Antwort gab: »Für das, was sie noch tun wird.«
    »Sterben ist leicht«, sagte Dürffenthal.
    »Nicht für sie«, sagte Zinder dumpf. »Nicht für jemanden wie Violante von Lerch.«

Gahmuret
     
    Stunden später war die Sonne zu einer tiefroten Kugel am Horizont geworden, während Violante noch immer vor dem geschlossenen Tor der Festung stand.
    Reglos verharrte sie vor den beiden hohen Torflügeln, denen anzusehen war, dass mehr als einmal vergeblich mit Rammböcken gegen sie angerannt worden war. Nun drohte Violante am selben Hindernis zu scheitern.
    »Warum lassen die sie nicht hinein?«, fragte Tiessa, während sie mit den anderen am Rande des Lagers stand und den Berg hinaufblickte. Zweihundert Schritt lagen zwischen ihnen und dem äußeren Wall der Festung.
    Faun wusste darauf keine Antwort. Natürlich hatten sie sich diese Frage schon mehrfach gestellt, gleich zu Beginn, als sie Violante mit jemandem auf den Zinnen über dem Tor hatten sprechen sehen, die Worte aber nicht verstehen konnten; und dann immer wieder von neuem, während sie beobachteten, wie die zerbrechliche Gestalt einsam vor dem Tor stehen blieb, dem Lager den Rücken zugewandt, als könnte sie die mächtigen Portalflügel allein durch ihren Willen zum Einsturz bringen. Sie hatte zu viel durchgemacht, um sich jetzt von einem Stück Holz aufhalten zu lassen. Sie würde eher dort oben verhungern als aufzugeben.
    »Ich verstehe das nicht«, sprach Tiessa aus, was alle dachten. »Das ergibt keinen Sinn. Warum lässt Gahmuret sie nicht in die Burg?«
    Karmesin stand mit verschränkten Armen ein wenig abseits und starrte zur Festung hinauf. Die rote Abendsonne brachte ihre großen Augen zum Glühen. Sie hatte seit einer Ewigkeit nichts mehr gesagt, nur gegrübelt und eine sorgenvolle Miene zur Schau getragen.
    »Irgendwer sollte sie zurückholen«, sagte Tiessa.
    Zinder nickte, als hätte er nur darauf gewartet, dass jemand diesen Vorschlag machte. »Ich gehe.«
    Er wollte loseilen, als Saga vorsprang und ihn an der Hand festhielt. »Nein, warte. Sie würde niemals mit dir kommen.« Als der Söldner nicht auf sie hören wollte, sagte sie: »Sie würde dir die Schuld geben. Oder uns allen.«
    »Vielleicht sogar sich selbst«, knurrte Faun. »Sie klang, als hätte sie dazugelernt.«
    »Wir können sie nicht einfach so stehen lassen.«
    »Saga hat Recht«, mischte Karmesin sich ein und brach damit ihr langes Schweigen. »Zurückholen können wir sie nicht. Sie wird dort oben bleiben, bis sie vor Hunger oder Hitze zusammenbricht. So gut kenne ich sie.«
    »Aber das ist verrückt!«, entfuhr es Tiessa. »Sie hat tausende von Meilen bis hierher zurückgelegt, und nun will Gahmuret sie nicht sehen?«
    »Könnte er tot sein?«, fragte Faun.
    Hinter ihm kam Wolfram von Dürffenthal näher. »Gahmuret lebt. Jedenfalls behauptet das Nizamalmulk. Vor ein paar Tagen hat er sich oben auf den Zinnen gezeigt und die Seldschuken verhöhnt.«
    »Haben sie denn eine Idee, was das alles soll?«, fragte Saga den Johanniter.
    »Die Seldschuken sprechen nicht viel. Sie dulden uns, aber sie reden kaum mit mir.«
    »Aber Ihr wart jetzt mindestens eine Stunde im Zelt ihres Anführers.« Faun furchte die Stirn. »Worüber hat er denn gesprochen?«
    »Er interessiert sich für unsere Pläne in Jerusalem«, entgegnete der Ritter. »Er weiß genau, dass ich ihm nicht die

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