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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Anhöhe hinauf und wandten den Blick nach Osten. Auch von dort wehte ihnen Staub entgegen.
    Vor ihnen erstreckte sich eine ausgedehnte Felsebene, die erst am flirrenden Horizont vor einer Bergkette endete. Inmitten dieser Weite befand sich eine einsame Anhöhe mit Hängen aus Geröll und Sand. Darauf stand eine Festung, die dritte in den letzten Tagen, und doch unterschied sie sich erheblich von Margat und dem Krak des Chevaliers.
    Einst mochte dies eine ansehnliche Burg gewesen sein, aus gelbbraunem Stein mit klobigen Wehren und Zinnenkränzen, in deren Mitte sich verschachtelte Gebäudewürfel aneinander drängten. Deutlich zu erkennen waren die Kuppel und das Minarett einer Moschee, höher als alle anderen Bauten. Doch was einst eine eindrucksvolle Feste gewesen war, glich heute einer Ruine. Aus den Höfen und Gängen zwischen den Gebäuden wehte Rauch empor, mehrere dünne Fäden und eine breitere, wolkige Säule, die über den Mauern auffächerte und als stinkender Schleier über die Ebene trieb. Beim ersten Atemholen erkannten Faun und die anderen den Odem lodernder Menschenasche.
    Während sich ihre Augen an die Helligkeit des ausgeglühten Felsenlandes gewöhnten, sahen sie allmählich genauer, was rund um die Festung vorging. Ein breiter Ring aus Zelten zog sich um die Anhöhe, bevölkert von einem Gewimmel aus Kriegern. Rufe in einer fremden Sprache hallten über die Ebene, doch im Augenblick schien die Schlacht zu ruhen; Faun erkannte nirgends stürmende Horden.
    Dürffenthal drängte zum Aufbruch. Er ließ sie auf der anderen Seite des Felsenkamms hinab in die Ebene reiten, und bald schon sprengte ihnen eine Gruppe Seldschuken auf prachtvollen Rössern entgegen. Faun, Saga und Tiessa versteiften sich in ihren Sätteln. Ein paar der Krieger hielten die Zügel mit einer Hand und schwenkten mit der anderen Krummschwerter, während ungestümes Geschrei über das Felsenland wehte. Einige Johanniter griffen nervös zum Schwert, doch Dürffenthal und die anderen erfahrenen Späher beschwichtigten sie.
    Zinders Miene verriet Achtung vor dem Mut des Johanniters. Während des Ritts hatte er sich mehrfach mit Dürffenthal unterhalten, und Faun hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass Zinder einem anderen Menschen uneingeschränkten Respekt zollte.
    Die Seldschuken brachten ihre Pferde in einer Staubwolke zum Stehen. Farblose Gewänder verhüllten sie, ließen oft nur Gesicht und Hände frei, und doch schienen sie nicht halb so sehr unter der Hitze zu leiden wie die schwitzenden Johanniter unter ihrem Stahl und den schwarzen Waffenröcken.
    Der Anführer der Krieger wandte sich an Dürffenthal und sprach mit ihm in seiner Muttersprache. Die beiden Männer kannten sich, und das Palaver endete mit einem abgehackten Nicken des Seldschuken, einem festen Handschlag und einer Geste Dürffenthals, dass sie ihren Ritt fortsetzen durften. Die Rösser der Seldschuken galoppierten voraus, während die sechsundzwanzig Männer und Frauen aus dem Abendland ihnen in kurzem Abstand folgten.
    Bald kam hinter all dem aufgewirbelten Staub wieder der Festungsberg in Sicht, umringt von den Zelten der Belagerer. Die Hänge waren überzogen mit Verteidigungsgräben, wirren Reihen aus angespitzten Pflöcken und Barrikaden aus Stein und Holz. Alle waren schon vor langem durchbrochen oder niedergeritten worden. Aber auch die Angreifer hatten dafür einen Preis gezahlt. In dem Gewirr aus Pfahlspitzen verrotteten die Kadaver zahlloser Pferde, halb verwest und in der Hitze aufgebläht. Menschliche Leichen entdeckte Faun nirgends. Die Seldschuken ehrten ihre Toten.
    Aus dem Augenwinkel beobachtete er Violante. Was immer ihr bei diesem Anblick durch den Kopf gehen mochte, sie verbarg es hinter einer Maske aus Gleichmut. Er versuchte für einen Moment, sich in ihre Lage zu versetzen. Sie ritten in das Lager jener Männer, die Gahmuret den Tod wünschten. Jene Männer, die ihren Gemahl und dessen Getreue seit Jahren erbittert bekämpften. Was hatte Violante nicht alles auf sich genommen, um Gahmuret wiederzusehen? Lügen, Verrat, tausendfaches Leid. Und nun fand sie sich unverhofft auf der Seite seiner Todfeinde wieder.
    Rasch wandte Faun den Blick ab, lenkte sein Pferd noch näher an das von Tiessa und ergriff ihre Hand. Saga gesellte sich an seine andere Seite, und so ritten sie zu dritt in einer Reihe zwischen die Zelte der Seldschuken, während Karmesin und Zinder vor ihnen blieben und Violante in ihrem Rücken.
    Misstrauen stand in allen Augen,

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