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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Aber er schnaufte auch jetzt noch, beugte sich vor, hustete und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    »Sie sind krank«, wisperte Violante erschüttert. »Sie sind alle krank.«
    »Ihr seid hier, um uns zu retten?« Ein kleiner, klapperdürrer Mann wieselte von rechts heran, eine Fackel in der unnatürlich verdrehten Klaue. Unter seiner Nase blähte sich ein Geschwür wie ein blutroter Eitersack. »Ihr habt ein Heilmittel dabei? Ihr könnt uns heilen?«
    Karmesin stand da wie gelähmt. Saga konnte nur die verkrüppelten Hände des Mannes anstarren, sein verunstaltetes Gesicht. Der Gestank schien auf einen Schlag so intensiv zu werden, dass sie sich vor Ekel krümmte.
    »Ihr hättet nicht kommen dürfen«, sagte eine raue Stimme tiefer im Hof. Ein Mann kam auf sie zu, vorgebeugt wie die meisten anderen und auf einen zerbrochenen Lanzenschaft gestützt. Der rechte Arm hing schlaff an seiner Seite.
    Er trat in den Fackelschein. Licht floss über die Reste seines Gesichts.
    Violante rührte sich nicht. Ihre Züge waren wie gemeißelt. Saga blickte verwirrt von ihr zu Karmesin.
    Die Konkubine flüsterte seinen Namen. Es musste sein Name sein. Saga bewegte im Einklang stumm die Lippen.
    Aber Violante erkannte ihn noch immer nicht.

Verbrannte Waffe
     
    Faun sah zu, wie sich Saga und Karmesin in der Dunkelheit des Berghangs auflösten und eins wurden mit der Nacht. Ein Johanniter mit besseren Augen als Faun rief kurz dar auf, er könne sehen, wie das Tor der Festung geöffnet werde. Dann hörten sie alle das Knirschen und Schleifen, selbst über die weite Entfernung hinweg. Bald darauf ertönte ein dumpfes Pochen, als der Torflügel wieder zufiel.
    »Sie sind drinnen«, knurrte Zinder.
    Faun wandte sich ab und ging mit hastigen Schritten davon, tiefer ins Lager hinein, ohne nach rechts oder links zu blicken. Tiessa kam hinterher, packte seine Hand und versperrte ihm den Weg.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich kann nicht einfach dastehen und warten, bis irgendwas geschieht.«
    Hinter Tiessa tauchte Zinder auf. Er trug eine Fackel. »Wir könnten die Zeit nutzen«, schlug er vor, »um uns im Lager umzuschauen. Sieht nicht aus, als hätte irgendwer was dagegen.«
    Sieht man von den mörderischen Blicken ab, die uns die Hälfte dieser Bande zuwirft, dachte Faun. Aber er war viel zu fahrig, um sich darüber Sorgen zu machen. Die Angst um Saga erfüllte sein ganzes Denken.
    Trotzdem nickte er und folgte Zinder und Tiessa wie ein Schlafwandler über die Pfade zwischen den Zelten und Feuern.
    Der Belagerungsring war nicht besonders breit, und schon bald erreichten sie seinen äußeren Rand. Von Süden wehten kühle Brisen aus der Nacht heran. Die Ebene lag zu ihrer Rechten unter einem Mantel aus Finsternis. Links breiteten sich die Feuerflecken des Seldschukenlagers aus, dahinter thronte als undeutliche Silhouette vor dem Nachthimmel die belagerte Burg.
    Sie liefen eine ganze Weile an der Grenze des Lagers entlang, ohne dass irgendwer ihnen besondere Beachtung schenkte.
    »Riecht ihr das?«, fragte Zinder, nachdem sie etwa ein Drittel des Belagerungsrings umrundet hatten.
    Tiessa schnupperte in den Wind, während Faun den Söldner nur verständnislos ansah.
    »Irgendetwas ist hier verbrannt worden.« Zinder spähte in die Dunkelheit jenseits des Feuerscheins.
    »Hier brennen ein paar hundert Lagerfeuer«, sagte Faun unbeeindruckt.
    Aber der Söldner ließ sich nicht beirren und entfernte sich mit der Fackel in der Hand vom Lager.
    »Wo will er hin?«, raunte Faun.
    Tiessa hob die Achseln. »Er wird schon wissen, was er tut.«
    Zinder war jetzt fast hundert Schritt entfernt. Sie sahen die Fackel in der Dunkelheit zittern. Plötzlich blieb er stehen.
    »Kommt her!«, rief er gepresst, damit der Wind seine Stimme nicht zu den Zelten trug.
    »Sie werden die Fackel sehen, wenn er weiter damit herumfuchtelt«, knurrte Faun. Aber als er sich umschaute, fiel ihm aus der Distanz auf, dass das Lager an dieser Stelle zerfasert war. Es brannten weniger Feuer als anderswo, und jene befanden sich am inneren Rand des Belagerungsrings, nicht hier draußen.
    Der Söldner senkte die Fackel und wartete, bis sie ihn erreicht hatten.
    »Seht euch das an.«
    Mit den Flammen beleuchtete Zinder den sandigen Felsboden. Er war mit schwarzer Asche bedeckt, die an dieser Stelle ausgedünnt und vom Wind verteilt worden war, ein paar Schritte weiter aber bereits dicker und klumpiger wurde. Halb verbrannte Überreste von Holzbalken und schwarz

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