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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mailand unterwegs war, wie der Soldat behauptet hatte, dann konnte diese Übereinstimmung mit dem Ziel der Magdalena kein Zufall sein. Aber warum zwang sie Saga, sie zu begleiten?
    Schweigend folgten sie dem Pfad hügelabwärts, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Selbst nach vielen Stunden schien Tiessa nicht müde zu sein, und Faun staunte nicht zum ersten Mal über ihre Zähigkeit.
    So oft er auch in diesen Tagen an Saga und Violante dachte, vermied er es meistens, allzu häufig über seine neue Begleiterin nachzugrübeln. Er mochte sie, sogar in jenen Augenblicken, wenn ihre Hochnäsigkeit schwer zu ertragen war und das Geheimnis, das sie um sich machte, ihren Umgang miteinander merklich belastete. Er sah sie als Weggefährtin auf Zeit, und manchmal hatte sie durchaus etwas an sich, das ihrer Arroganz den Giftstachel zog. Eine Ernsthaftigkeit in Momenten, in denen er nicht damit rechnete. Eine Nachdenklichkeit, die manchmal schmerzlich an Schwermut grenzte.
    Im Grunde, so redete er sich ein, wartete er nur auf die Gelegenheit, ihren Geldbeutel zu stehlen und sich auf und davon zu machen. Aber solche Gelegenheiten waren gekommen, und er hatte sie ungenutzt verstreichen lassen. Jede Nacht schlief sie zusammengerollt an seiner Seite, schutzlos, eine zerschlissene Stoffpuppe an sich gepresst, für die sie viel zu alt war. Und er ertappte sich immer häufiger dabei, dass er sich weit mehr Sorgen darüber machte, wie er sie wohl am besten vor Räubern beschützte, als darüber, wie er selbst sie berauben könnte.
    Die Sonne stand bereits tief über dem Horizont, als sie den Fuß des Hügels erreichten. Faun ließ seinen Blick ein letztes Mal zum Himmel schweifen. Der Falke blieb verschwunden.
    Bevor sie in die Schatten der Wälder eintauchten, richtete Tiessa erneut das Wort an ihn. »Du hast erzählt, dass deine Schwester besser lügt als jeder andere, oder?«, fragte sie unvermittelt.
    »Ja.« Faun blickte überrascht auf. Er war in Gedanken noch immer bei dem Vogel.
    »Kann sie mehrere Leute auf einmal belügen? Wirklich viele Leute?«
    Er sah sie an, ziemlich fassungslos, weil sie da etwas andeutete, das ihm selbst schon durch den Kopf gegangen war.
    »Meinst du damit, sie könnte eine von denen sein, die sich als Magdalena ausgeben?«
    Die Abendsonne überzog Tiessas herzförmiges Gesicht mit Blattgold »Es wäre möglich.«
    »Warum sollte sie das tun?«
    »Wer weiß? Vielleicht wird sie –«
    »Gezwungen?« Er blieb stehen, aber sie wartete nicht auf ihn. »Das wäre …« Er verschluckte den Rest des Satzes und schwieg, bis sie die ersten Bäume erreicht hatten.
    »Stell dir vor«, sagte Tiessa nach einer Weile, »sie wäre nicht deine Schwester.«
    Er sah sie fragend von der Seite an.
    »Könnte die beste Lügnerin der Welt nicht auch die überzeugendste Predigerin der Welt sein?«
    In der folgenden Nacht entdeckte Faun, dass sie in der Tat verfolgt wurden. Aber nicht von einem Falken.
    Sie hatten ihr Lager in einer Senke nahe der Straße aufgeschlagen, unter tief hängenden Ästen, von denen die Feuchtigkeit der Nacht auf sie herabtränte. Es konnte nicht lange geregnet haben, als Faun von den Tropfen auf seinem Gesicht erwachte, denn der Waldboden um sie herum war noch immer sommerlich trocken: ein knisterndes Bett aus altem Laub, Wurzeln, die sich einem in den Rücken drückten, und vereinzelten Grasbüscheln. Rundum waren die Schrägen der Senke mit Farnkraut bewachsen, durch das sie sich einen Weg hatten bahnen müssen. Im Herbst würde hier alles voller Pilze sein.
    Faun wischte sich die Nässe vom Gesicht – er musste schon mehrere Tropfen abbekommen haben, immer auf dieselbe Stelle unter seinem linken Auge – und setzte sich auf. Sein erster Blick galt Tiessa, die mit dem Rücken zu ihm lag, eng zusammengerollt wie in all den vergangenen Nächten, so als habe sie ihr Leben lang im Schlaf vor etwas Angst haben müssen.
    Er beugte sich vorsichtig über sie und sah, dass sie tatsächlich schlief. Ihre Augen waren geschlossen, aber ihre Lippen bebten leicht. Schwere Träume, dachte er und wusste, dass es zwecklos war, sie danach zu fragen. Sie hatte ihm noch nicht einmal erzählt, woher sie kam, oder aus was für einer Familie sie stammte. Sie war kein armes Bauernmädchen, so viel stand fest. Aber sie konnte auch keine Tochter von Stand sein, denn dann hätte sie sich wohl kaum hier im Dreck gewälzt und im Freien unter Bäumen geschlafen.
    Er stand auf, vorsichtig, um sie nicht zu wecken, und

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