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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gewöhnlich lachte. Keine appetitlichen Dinge, vermutete sie.
    »Ich bin nicht ganz so versessen auf Gold, wie Violante glaubt. Nicht mehr als jeder andere.« Er registrierte, dass sie einen halben Schritt zurücktrat, und verschränkte die Arme vor der Brust. »Willst du die Wahrheit wissen? Warum ich diesen Kontrakt mit ihr eingegangen bin?«
    Sie zuckte die Achseln. »Es ist keine allzu gefährliche Arbeit, schätze ich.«
    »Noch nicht.« Ihr gefiel nicht, wie er das erste Wort betonte. »Ich hab nicht vor, als Söldner auf irgendeinem Schlachtfeld zu sterben. Weder für Violante noch für dich, noch für irgendeinen anderen.«
    »Das sind klare Worte.«
    »Aber solange mein Kontrakt mich dazu verpflichtet, werde ich euch mit meinem Leben beschützen. Die Gräfin bezahlt gut dafür, dass wir euch nach Mailand bringen. Das heißt, der Bischof zahlt – ich hab meine Zweifel, ob sie selbst so viel überhaupt aufbringen könnte …«
    »Und von deinem Anteil baust du dir ein Haus, nimmst dir eine Frau und hast Kinder und Ziegen und –«
    Er lachte leise. »Ja, so ungefähr habe ich mir das vorgestellt.«
    Noch immer war sie nicht sicher, was sie von seinem Besuch in ihrem Zelt zu halten hatte. Seine Anwesenheit beunruhigte sie. Er schien in sonderbarer Plauderstimmung zu sein.
    »Aber um das alles genießen zu können, müsste ich noch am Leben sein, wenn es so weit ist, nicht wahr? Und, ehrlich gesagt, das ist es, was mir seit ein paar Tagen Sorgen macht.«
    Sie neigte fragend den Kopf.
    »Ich verstehe nicht, wen wir da durchs Land eskortieren. Ich verstehe nicht, was du bist.« Er stand noch immer gleich hinter dem Eingang, aber ihr war klar, dass zwei Schritte genügen würden, um bei ihr zu sein.
    »Ich bin noch nie einer Heiligen begegnet, aber ich hatte jemanden mit einem goldenen Lichtkranz über dem Kopf erwartet … nicht eine Gauklerin, die normalerweise auf Seilen tanzt und Feuer schluckt.«
    Sie schnappte nach Luft. »Woher weißt du –«
    »Ich habe dich gesehen. In einem Gasthof, vor ungefähr einem Jahr, oben im Norden. Violante mag sich für besonders schlau halten, weil sie mit deinen Darbietungen gewartet hat, bis wir ein paar Tagesreisen südlich von Burg Lerch waren. Das mag ausreichen, um ein paar Bauern hinters Licht zu führen. Aber ich bin weit herumgekommen. Ich wusste gleich, dass ich dich kenne. Es hat nur eine Weile gedauert, ehe mir wieder einfiel, woher.«
    »Wissen es alle?« Sie hätte sich am liebsten in irgendeiner Ecke verkrochen. Falls die Sache herauskam und sie ihren Wert für die Gräfin verlor, was würde dann mit Faun geschehen?
    Er ließ sie einen Moment lang zappeln, ehe er den Kopf schüttelte. »Die, die damals dabei waren, waren viel zu betrunken, um sich an irgendwas zu erinnern. Normalerweise wissen sie am nächsten Morgen nicht mal mehr, wie die Weiber aussehen, mit denen sie es im Suff getrieben haben.«
    Wenn er sie damit schockieren wollte, unterschätzte er sie. Sie war ihr Leben lang mit Gauklern über die Märkte gezogen, und sie war selbst nicht zart besaitet. Es gab wenig, das sie nicht schon gesehen oder gehört hatte. Besoffene Kerle und Huren hatten zu ihrem Alltag gehört wie blaue Flecken und der Geschmack des Brandöls im Mund.
    »Ich bin also über ein Seil gelaufen, damals?«
    »Du hast auch diese andere Sache gemacht. Das mit den Lügen. Deshalb kann ich mich so gut an dich erinnern. Nicht weil du ein hübsches Gesicht hast oder auf Seilen herumhüpfst.« Er verlagerte sein Gewicht und blinzelte sie misstrauisch an. »Was du uns hier seit ein paar Tagen darbietest, das ist keine Predigt. Ich glaube auch nicht, dass es was mit Visionen zu tun hat. Es ist Gaukelkram. Ich weiß nicht genau, wie du es machst – und hol mich der Teufel, wenn ich wüsste, warum Jannek und ein paar von den anderen plötzlich Stein und Bein schwören, dass du so heilig bist wie die Jungfrau selbst.« Als sie nicht gleich etwas erwiderte, stellte er die Frage, die ihm wohl am schwersten auf der Zunge lag: »Ist es Zauberei?«
    Sie hatte das Gefühl, sich setzen zu müssen. Aber hier im Zelt gab es nur ihre Decken, und sie wollte keine Schwäche zeigen, indem sie sich vor ihm auf dem Boden niederließ. Stattdessen lehnte sie sich mit einer Hand an eine Zeltstange und hoffte, dass es nicht aussah, als müsse sie sich irgendwo festhalten.
    »Nein«, sagte sie, »Zauberei ist das ganz bestimmt nicht.« Aber bist du da wirklich so sicher? »Ich kann nicht zaubern, und ich kenne

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