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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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auch keinen, der es kann.«
    »Weiß ich’s?« Er hob die Schultern. »Ich sag’s dir nur so, wie es ist: Ich werde dich gegen Räuber und Wegelagerer und von mir aus auch gegen die Leute des Kaisers verteidigen, wenn es nötig sein sollte. Aber ich stecke den Kopf nicht für eine Hexe in die Schlinge.«
    »Ich bin keine Hexe!«
    Er machte einen blitzschnellen Schritt nach vorn. »Was bist du dann?«
    Sie senkte den Blick. »Die Magdalena«, flüsterte sie.
    »Natürlich«, seufzte er. »Aber was hast du von alldem hier?
    Was springt für dich dabei heraus? Und für deine Freundin, die Gräfin?«
    Sie war drauf und dran, ihm alles zu erzählen. Die ganze Wahrheit über Fauns Gefangenschaft und Violantes Drohung. Aber dann erkannte sie, dass Zinder wohl schwerlich der Richtige war, um sich ihm anzuvertrauen. Nicht einem Söldner, dem der Ruf von Verrat nachhing wie der Geruch seines Pferdes.
    »Wir wollen nur Jerusalem befreien«, sagte sie kläglich.
    Seine Augen verdüsterten sich. »Mit ein paar falschen Predigten? Mit Lügen? Denk nach, Mädchen! Wie weit werdet ihr wohl kommen? Die Ersten werden schon oben im Gebirge krepieren. Dann die Überfahrt. Kennst du die Geschichten über das, was die Venezianer mit den Männern des letzten Kreuzzuges angestellt haben? Dem Heer, zu dem Graf Gahmuret gehört hat? Sie haben sie gezwungen, Konstantinopel zu zerstören, weil die byzantinischen Kaufleute Venedig einmal zu oft in die Suppe gespuckt haben. Und wir sprechen hier von einem Heer von Tausenden von Kriegern! Was wird den Venezianern wohl für ein paar hundert Frauen einfallen? Die meisten noch Jungfrauen, um Himmels willen! Was kommt danach? Hunger und Durst auf dem Meer. Ganze Flotten von Piraten gibt’s da unten, denen ein paar Schiffe mit Frischfleisch für die afrikanischen Basare gerade recht kommen. Falls sie nicht selbst Gefallen an euch finden, heißt das. Und so geht es weiter und weiter … bis ihr irgendwann im Heiligen Land ankommt, wo die Sarazenen euch die Haut in Streifen vom Leib schneiden werden. Sie essen Menschen, erzählt man sich. Vielleicht stimmt’s, vielleicht nicht. Aber töten werden sie euch, auf die eine oder andere Weise.« Während Zinder redete, war seine Hand auf den Schwertknauf gesunken. »Und nun mach du mir noch mal weis, ihr wollt Jerusalem befreien! Das ist sogar zu lächerlich, um sich darüber lustig zu machen.«
    »Wenn Violante dich so reden hört –«
    »Das wird sie, verdammt, weil ich es ihr genauso sagen werde!
    Diese ganze Idee eines Kreuzzugs der Frauen ist etwas für Wahnsinnige. Diese Mädchen da draußen mögen dir aus irgendwelchen Gründen folgen wollen – und, glaub mir, die meisten tun es, weil es sie aus ihren Dörfern fortbringt, nicht weil sie ihre Liebe zu Gott entdeckt haben –, aber Violante ist zu klug für so was. Und du? Sie nutzt dich aus. Ich weiß nicht, vielleicht zwingt sie dich sogar … Ist es das? Willst du überhaupt hier sein?«
    Sie spürte Tränen in ihren Augen, und es machte sie wütend, dass er sie zum Weinen brachte. In ihrem Kopf rumorte der Lügengeist – Benutze mich! Ich werde schon fertig mit ihm! –, aber etwas hielt sie davon ab, Zinder auf so unwürdige Art und Weise abzukanzeln. Schlimm genug, dass Violante sie zwang, für sie zu lügen. Aber niemand zwang sie jetzt, in diesem Augenblick. Sie musste nicht lügen, wenn sie nicht wollte. Sie hatte es satt. Ihr wurde schon schlecht bei dem Gedanken daran. Und trug nicht der Lügengeist die Schuld daran, dass sie überhaupt hier war?
    Lass es, flüsterte es in ihr, das führt zu nichts. Wimmel ihn ab. Denk nicht so viel nach. Du kannst nichts ändern. Nicht, wenn Faun überleben soll.
    »Ich kann nicht«, murmelte sie.
    »Was?«
    Sie hob den Kopf und sah ihm fest in die Augen. Die ganze Umgebung war verschwommen. Verdammte Tränen! »Ich kann es dir nicht sagen.«
    Und dann war da plötzlich wieder ein Lächeln um seine Mundwinkel, ganz schwach nur. »Die beste Lügnerin der Welt, hmm?« Er klang jetzt sanfter als vorhin, beinahe freundlich. »So haben sie dich damals genannt. Die gottverdammt beste Lügnerin der Welt.«
    Sie zuckte nur die Achseln und wischte sich mit dem Handrücken die Nässe von der Wange.
    »Du weißt, wie sie den Teufel nennen, oder?«, fragte er.
    Sie blinzelte verwirrt.
    »Den Herrn der Lüge.«
    »Das, ja … Das hab ich oft genug gehört.«
    »Dann gib Acht, mit wem du dich einlässt. Für dich, für all diese Mädchen da draußen … und wer

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