Herrin der Schädel
war so wunderbar, denn sie hat sich voll und ganz hineingedrängt. Obwohl sie in einer anderen Zeit lebt, ist sie eine von uns geworden.«
»Mit einem Totenschädel, den ich auf ihrem Hals gesehen habe.«
Vinia lachte. »Ja, du hast ihn gesehen. Sie ist stolz darauf, ihn tragen zu können.«
»Wie kam es dazu?«
»Ich habe ihr geholfen. Ich habe ihr erklärt, dass es keine Schande ist, wenn sie so aussieht, denn der Turm ist auch aus Schädeln gebaut worden…«
»Das ist keine Erklärung«, sagte ich.
»Gut, dann will ich es anders versuchen. Sie kann als Mensch und auch als Mensch mit einem Schädel auftreten, der anders aussieht. Es passierte, als sie in diese magische Zeitschleuse hineingeriet, in der wir uns getroffen haben…«
»Wo existiert sie?«
»Du stehst darin.«
Ich schluckte. Ich wurde blass, das merkte ich. Und plötzlich klopfte auch mein Herz schneller. Jetzt wusste ich, warum sich Vinia so sicher war, dass sie meinen Schädel als Krönung auf den Turm legen konnte. Ich stand in dieser Schleuse und würde möglicherweise zu dem werden, was Dana schon war.
»Was bedeutet das?«, flüsterte ich.
»Dass hier die Zeit regiert.«
»Und weiter?«
»Sie verändert. Es ist eine Brücke, nicht mehr. Menschen können alles so schnell erleben. Sie merken plötzlich, wie sie aussehen können, wenn sie mal gestorben sind.«
»Dann sind wir nicht in Atlantis.«
»Doch. Aber an einem Ort der Magie. In der Schlucht, in der früher der Schwarze Tod gehaust hat und in der jetzt sein Denkmal entstehen wird. Es hat immer eine Verbindung zwischen dem Tod und dem Leben gegeben. Hier ist sie besonders fest. Wer hier hineinkommt, der muss sich mit ihr auseinander setzen. Der lebt, aber er weiß zugleich, wie es ist, wenn man tot ist und sich das Fleisch und die Haut von den Knochen gelöst hat. Es ist der Preis dafür, um in der tiefen Vergangenheit leben zu können und in einer Gegenwart, die sehr weit von der Vergangenheit entfernt liegt. Man sieht vieles, aber man muss den Preis eben zahlen, wie ich dir schon sagte. Deine Welt ist nah. Ich kann hinein, aber die Menschen sehen sie nicht, sie können sie nicht sehen.«
»Dann stehen wir in einer Vorstufe zum Jenseits, wenn ich dich richtig verstanden habe?«
»Ja, im Vorhof des Todes, der hier von mächtigen dämonischen Kräften geschaffen wurde.«
»Aber Atlantis ging unter«, sagte ich nach einem tiefen Atemzug. »Das weiß man.«
»Nicht alles, John Sinclair. Diese Zone blieb bestehen, denn sie ist die Verbindung zwischen Atlantis und der normalen Welt in der Gegenwart.«
Sollte ich es begreifen? Musste ich es begreifen? Es gibt Dinge, über die man sich den Kopf zerbrechen kann, ohne dabei eine hundertprozentige Lösung zu finden. So musste ich es auch hier sehen und es vor allen Dingen akzeptieren.
Dana und Vinia gab es als zwei Personen. Sie waren keine Zwillinge, aber durch die Genkette hatte sich Tausende von Jahren später eine Person entwickelt, die so aussah wie Vinia.
Und Dana Crow musste gespürt haben, was in ihr steckte. Sie war nicht faul gewesen und hatte herausgefunden, woher sie stammte. Es konnte auch gut sein, dass man ihr eine Botschaft übermittelt hatte, und von dieser Botschaft war sie begeistert gewesen. Sie hatte viel gelernt, aber auch etwas geben müssen, denn es ist nicht eben von Vorteil, wenn man sich so sieht, wie man später mal aussehen würde. Aber das hatte sie in Kauf genommen und war auch ihren beruflichen Weg weiterhin gegangen. Keinem wäre etwas aufgefallen, wenn Vinia es sich nicht in den Kopf gesetzt hätte, diesen verdammten Turm zu bauen und dafür immer mehr Schädel benötigt hätte.
Und jetzt stand ich auf diesem Turm. Ich sollte ihm durch meinen Kopf die Krönung verleihen, aber genau das hatte ich nicht vor. Ich war in diese Welt gelangt, und ich würde sie auch wieder verlassen, das nahm ich mir fest vor.
»Hast du meine Zeit auch des Öfteren besucht?«, fragte ich.
»Habe ich.«
»Dann weißt du auch, wer Dana ist?«
»Ja, sie singt. Sie ist wunderbar. Sie singt von ihren Erlebnissen. Ich liebe das.«
»Ich auch«, erklärte ich, »und ich hatte vor, ein Konzert von ihr zu besuchen.« Auf meinen Mund legte sich ein Lächeln. »Wie wäre es denn, wenn wir es gemeinsam besuchen? Du hast doch gesagt, dass du diese Welt verlassen kannst.«
»Ich kann es.«
»Dann lass uns gehen!«
»Nein, nicht das. Du fühlst dich hier nicht wohl, was ich verstehen kann. Aber ich will deinen Kopf. Ich werde
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