Herrin Der Stürme - 2
du ihn nicht bemerkst, aber ich werde nicht versuchen, es vor dir zu verbergen.« Sie spreizte ihre schlanken, ringgeschmückten Hände. Die schmalen Finger waren mit Edelsteinen überladen, aber es waren sechs, und als sein Auge auf den überzähligen fiel, wurde Cassandra tiefrot und versuchte, sie unter dem Schleier zu verbergen. »Dom Allart, ich bitte dich, nicht auf meine Mißbildung zu starren.«
»Sie erscheint mir nicht als Mißbildung«, sagte er. »Spielst du die Rryl? Ich vermute, du kannst die Akkorde viel müheloser anschlagen.« »Ja, so ist es …«
»Dann wollen wir es nie mehr als einen Mangel oder eine Mißbildung betrachten, Cassandra«, sagte er, nahm die schlanken, sechsfingrigen Hände in die seinen und preßte seine Lippen auf sie. »In Nevarsin habe ich Kinder mit sechs oder sieben Fingern gesehen. Ihre Extrafinger waren knochenlos oder ohne Sehnen, und konnten weder bewegt, noch gebeugt werden. Aber wie ich sehe, kannst du sie völlig kontrollieren. Ein wenig kann ich auch musizieren.«
»Wirklich? Liegt das daran, daß du ein Mönch warst? Die meisten Männer haben keine Geduld für solche Dinge, oder wenig Zeit, sie neben der Kriegskunst zu erlernen.«
»Ich wäre lieber Musiker als Krieger«, sagte Allart und drückte ihre schlanken Finger erneut gegen seine Lippen. »Die Götter mögen uns in unserem Leben genug Frieden gewähren, um Lieder zu machen, anstatt Kriege zu führen.« Als sie ihn, ihre Hand noch immer an seinen Lippen, anlächelte, bemerkte er, daß Ysabet, Lady Aillard, sie beobachtete, und ebenso sein Bruder Damon-Rafael. Sie sahen so selbstzufrieden aus, daß es ihm Übelkeit bereitete. Sie manipulierten ihn trotz seiner Ablehnung, ihrem Willen Genüge zu tun! Er ließ Cassandras Hand los, als hätte er sich verbrannt.
»Darf ich dich zu deinen Verwandten führen, Damisela?«
Als der Abend bei der dezenten, aber nicht trüben Feier fortschritt – der alte Fürst war würdig zur Ruhe getragen, und er besaß einen geeigneten Erben, so daß sein Reich ohne Zweifel aufblühen würde –, suchte Damon-Rafael seinen Bruder auf. Allart bemerkte, daß er trotz des Festes ziemlich ernst war.
»Morgen reiten wir nach Thendara, wo ich zum Lord des Reiches ernannt werde. Du mußt, als Wächter und auserwählter Erbe Elhalyns mit uns reiten, Bruder. Ich habe keine ehelichen, sondern nur Nedestro Söhne. Und man wird keinen von ihnen als meinen Erben anerkennen, bis nicht sicher ist, daß Cassilde mir keinen schenken wird.« Er blickte mit einem kalten, festen Blick durch den Raum zu seiner Frau hinüber. Cassilde Aillard-Hastur war eine blasse, schmächtige Frau von blassem und abgespanntem Aussehen.
»Das Reich wird in deinen Händen sein, Allart, und in einem gewissen Sinn bin ich auf deine Gnade angewiesen. Wie heißt doch das Sprichwort? ›Dein Rücken ist entblößt ohne Bruder .‹ «
Allart fragte sich, wie – bei allen Göttern – Brüder zu Freunden werden konnten, wenn solche Erbgesetze galten. Allart hatte keinerlei Ehrgeiz, seinen Bruder als Haupt des Reiches zu ersetzen – aber würde DamonRafael das jemals glauben? Er sagte: »Ich hätte es wirklich lieber, wenn du mich im Kloster gelassen hättest, Damon.«
Damon-Rafaels Lächeln war zweifelnd, als fürchte er, die Worte seines Bruders würden lediglich ein zwielichtiges Komplott verbergen. »Wirklich? Ich habe dich mit der Aillard-Frau sprechen sehen, und mir schien es offensichtlich zu sein, daß du die Trauungszeremonie kaum erwarten kannst. Es ist wahrscheinlich, daß du eher als ich einen ehelichen Sohn haben wirst. Cassilde ist schwächlich, und deine Braut sieht kräftig und gesund aus.«
Mit mühsam unterdrückter Wut erwiderte Allart: »Mich drängt es nicht, zu heiraten!«
Damon-Rafaels Blick war düster. »Aber der Rat wird einen Mann deiner Jahre nicht als Erben anerkennen, wenn du nicht zustimmst, sofort zu heiraten. Es ist schändlich, daß ein Mann in den Zwanzigern noch immer unverheiratet und ohne eigene Söhne ist.« Er blickte Allart scharf an. »Ist es möglich, daß ich mehr Glück habe, als ich erwarte? Bist du vielleicht ein Emmasca! Oder gar ein Männerfreund?«
Allart grinste gezwungen. »Ich bedaure, dich enttäuschen zu müssen. Aber was den Emmasca angeht: Du hast gesehen, wie ich ausgezogen und dem Rat vorgeführt wurde, als ich ins Mannesalter kam. Und wenn du gewollt hast, daß ich ein Männerfreund werde, hättest du verhindern sollen, daß ich zu den Cristoferos kam. Aber ich werde
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