Herrin Der Stürme - 2
und gleichzeitig über irgend etwas anderes zu sprechen. Coryn nahm das Metallgerät und untersuchte selbst ein paar Batterien. Mira rieb ihre kalten Hände und sagte, sie wolle ein heißes Bad und eine Massage nehmen.
Renata legte ihren Arm um Cassandras Taille.
»Das solltest du auch, Herzchen. Du bist kalt und verkrampft. Geh jetzt hinunter. Laß dir ein ordentliches Frühstück bringen und nimm ein heißes Bad. Ich werde dir meine Badefrau schicken. Sie ist in der Massage ausgebildet und wird deine verkrampften Muskeln und Nerven lockern, damit du schlafen kannst. Fühl dich nicht schuldig. Wir alle haben uns in unserer Anfangszeit überarbeitet, und niemand gibt seine Schwäche gern zu. Wenn du eine warme Mahlzeit, ein Bad und eine Massage gehabt hast, leg dich zum Schlafen hin. Man soll dir heiße Ziegelsteine an die Füße legen und dich gut zudecken.«
Cassandra sagte: »Ich beraube dich nicht gern der Dienste deiner Badefrau.«
» Chiya, ich lasse mich nicht mehr in solch einen Zustand bringen. Geht jetzt. Sag Lucetta, ich hätte den Auftrag gegeben, daß sie dich pflegt wie mich; wenn ich aus dem Kreis komme. Tu, was man dir sagt, Cousine. Es ist meine Aufgabe, zu wissen, was du brauchst, selbst wenn du es nicht weißt«, sagte sie. Allart fiel auf, wie mütterlich sie klang, obwohl sie nicht älter war als Cassandra.
»Ich werde auch hinuntergehen«, sagte Mira. Coryn zog Arielle am Arm, und zusammen gingen sie hinaus. Allart wollte ihnen folgen, als Renata eine federleichte Hand auf seinen Arm legte.
»Allart, wenn du nicht zu müde bist, möchte ich mich mit dir ein wenig unterhalten.«
Allart war in Gedanken zwar schon in seinem wohlausgestatteten Zimmer im untersten Stockwerk und einem kalten Bad, aber er war nicht wirklich müde. Er sagte es ihr, und Renata nickte.
»Wenn das eine Folge der Ausbildung der Nevarsin-Brüder ist, sollten wir sie vielleicht in unsere Kreise einführen. Du bist ebenso ausdauernd und frisch wie Barak. Du solltest uns etwas über deine Geheimnisse lehren! Oder haben die Brüder dich zur Verschwiegenheit verpflichtet?«
Allart schüttelte den Kopf. »Es ist nur die Beherrschung der Atmung.«
»Komm. Sollen wir nach draußen in den Sonnenschein gehen?« Zusammen gingen sie zum Erdgeschoß hinab und traten durch das Kraftfeld, das den Turmkreis vor Störungen schützte, solange sie bei der Arbeit waren, in den zunehmenden Glanz des Morgens hinaus. Schweigend ging Allart neben Renata her. Er war nicht übermäßig müde, aber seine Nerven waren durch die Anspannung und die lange Zeit ohne Schlaf gespannt. Wie immer, wenn er es sich erlaubte, ließ sein Laran ein Gewebe einander widersprechender Zukunftsentwicklungen um ihn herum entstehen.
Schweigend gingen sie nebeneinander am Ufer entlang. Liriel, der violette Mond, der gerade sein volles Stadium überschritten hatte, ging verschwommen über dem See unter. Der grüne Idriel, die blasseste der Sicheln, hing hoch und bleich über dem weit entfernten Gebirgskamm.
Allart wußte – es war ihm klar geworden, als er Renata zum ersten Mal gesehen hatte –, daß sie die zweite der beiden Frauen war, auf die er wieder und wieder in den verzweigten Zukunftsentwicklungen seines Lebens gestoßen war. Vom ersten Tag im Turm an war er ihr gegenüber wachsam gewesen, hatte kaum mehr als die unerläßlichsten Höflichkeiten mit ihr ausgetauscht und sie gemieden, so weit man jemanden in den begrenzten Quartieren des Turms meiden konnte. Er hatte ihre Fähigkeit als Überwacherin respektieren und ihr schnelles Lachen und ihre gute Laune schätzen gelernt. Die Freundlichkeit, mit der sie sich um Cassandra kümmerte, berührte ihn. Aber bis zu diesem Augenblick hatte er mit ihr kein einziges Wort außerhalb der Grenzen ihrer Pflichten gewechselt.
Seine Übermüdung hinderte ihn daran, Renata so zu sehen, wie sie wirklich war – freundlich, unpersönlich, zurückgezogen, eine im Turm ausgebildete Überwacherin, die über Berufsangelegenheiten sprach –, sondern wie sie in irgendeiner der sich fächerförmig ausbreitenden Möglichkeiten der Zukunft sein würde, die möglicherweise in Erfüllung gehen konnten. Obwohl er sich selbst dagegen abgeschirmt und sich nie gestattet hatte, solche Gedanken freizusetzen, hatte er sie von Liebe erwärmt gesehen, die Zärtlichkeit, zu der sie fähig war, erfahren, sie wie in einem Traum besessen. Es überschattete den wirklichen Stand ihrer Beziehungen und verwirrte ihn, als stünde er einer Frau gegenüber,
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