Herrin Der Stürme - 2
daß die Frauen immer dagegen sind. Ich will dich nicht schockieren, Allart, aber Frauen im Turm brauchen – und können – nicht nach den närrischen Gesetzen und Sitten dieser Zeit, die so tun, als seien sie nicht mehr als Spielzeuge, die den Begierden der Männer dienen, ohne eigene Wünsche außer dem, Söhne für ihre Clans zu gebären, leben. Ich bin keine Jungfrau, Allart. Jeder von uns – ob Mann oder Frau – muß nach kurzer Zeit im Kreis lernen, sich über seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar zu sein, sonst können wir nicht all unsere Kraft in unsere Arbeit stecken. Wenn wir es dennoch versuchen, passieren solche Dinge wie heute morgen – wenn nicht noch viel, viel Schlimmeres.«
Verlegen blickte Allart von ihr weg. Sein erster, beinahe automatischer Gedanke war eine reine Reaktion seiner Kindheitserziehung. Die Männer der Reiche wissen das und lassen trotzdem ihre Frauen hierher kommen?
Renata zuckte die Achseln.
»Das ist der Preis, den sie für die Arbeit zahlen, die wir tun – daß wir Frauen in gewissem Ausmaß für unsere Aufgabe von den Gesetzen, die Vererbung und Aufzucht betonen, befreit werden. Ich glaube, die meisten von ihnen ziehen es vor, sich nicht zu genau zu erkundigen. Und es ist für eine Frau, die in einem Kreis arbeitet, nicht ungefährlich, ihren Dienst durch eine Schwangerschaft zu unterbrechen.« Einen Moment später fügte sie hinzu: »Wenn du wünschst, kann Mira Cassandra aufklären – oder ich. Vielleicht würde sie es von einem Mädchen in ihrem eigenen Alter leichter aufnehmen.«
Hätte mir während meiner Zeit in Nevarsin jemand erzählt, daß es eine Frau gibt, mit der ich mich über solche Dinge offen unterhalten kann, und daß diese Frau weder mit mir verheiratet noch eine Blutsverwandte ist, hätte ich das nie geglaubt. Ich hätte nie gedacht, daß es zwischen Mann und Frau eine solche Aufrichtigkeit geben kann.
»Das hat unsere ärgsten Befürchtungen tatsächlich ausgeräumt, solange wir im Turm wohnten. Vielleicht können wir – immerhin so viel haben. Es stimmt, wir haben darüber gesprochen, ein wenig.« Cassandras Worte hallten in seinem Kopf wieder, als wären sie erst Sekunden vorher und nicht schon vor einem halben Jahr gesagt worden: »So wie die Dinge jetzt liegen, kann ich es ertragen, Allart, aber ich weiß nicht, ob ich diesem Entschluß treu bleiben kann. Ich liebe dich, Allart. Ich kann mir selbst nicht trauen. Früher oder später würde ich dein Kind wollen, und so ist es leichter, ohne die Möglichkeit und die Versuchung …« Renata, die die Worte in seinem Geist hörte, sagte empört: »Leichter für sie, vielleicht…« Sie unterbrach sich. »Verzeih mir, ich habe kein Recht dazu. Auch Cassandra hat Anspruch auf ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche, nicht auf das, was sie nach deiner oder meiner Meinung fühlen sollte. Wenn einem Mädchen, sobald es alt genug ist, beigebracht wird, daß der Sinn des Lebens darin besteht, dem Clan ihres Mannes Kinder zu gebären, ist es nicht leicht, das zu ändern oder einen anderen Lebenszweck zu finden.« Sie verstummte, und Allart fand, daß Renatas Stimme angesichts ihrer Jugend zu bitter klang. Er fragte sich, wie alt sie wohl war, aber sie befanden sich schon in so enger Verbindung, daß Renata die unausgesprochene Frage beantwortete.
»Ich bin nur ein oder zwei Monate älter als Cassandra. Ich bin nicht ganz frei von dem Wunsch, eines Tages ein Kind zur Welt zu bringen, aber meine Sorgen über das Zuchtprogramm ähneln den deinen. Natürlich sind es nur die Männer, denen es erlaubt ist, solche Sorgen und Zweifel zu äußern. Von den Frauen erwartet man, daß sie nicht an solche Dinge denken. Manchmal habe ich das Gefühl, daß man von uns erwartet, daß wir überhaupt nicht denken! Aber mein Vater war mir gegenüber sehr nachgiebig, und ich habe ihm das Versprechen abgerungen, nicht verheiratet zu werden, bis ich zwanzig und in einem Turm ausgebildet worden bin. Ich habe viel gelernt. Zum Beispiel folgendes, Allart: Wenn du und Cassandra beschließen solltet, ein Kind zu haben, könnte man mit Hilfe einer Überwacherin das Ungeborene tief im Keimplasma untersuchen. Sollte das Kind das Laran, vor dem du dich fürchtest, oder sonst ein rezessives Merkmal tragen, das Cassandra bei der Geburt töten könnte, würde sie es nicht zur Welt bringen müssen.«
Heftig entgegnete Allart: »Es ist übel genug, daß wir Hasturs uns damit befassen, Riyachiyas und andere Abscheulichkeiten durch
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