Herrin Der Stürme - 2
Und ich sollte nicht für sie tun, was sie lernen muß, um für sich selbst zu sorgen. Nun, ich bin sicher, daß ihr gute Gründe hattet, in diesem Zustand hierher zu kommen, aber welche es auch waren: Ihr habt zuwenig davon gewußt, wie ein Turmkreis arbeitet. Du kannst es ertragen; du verfügst über das Nevarsin-Training und kannst auch dann zufriedenstellend arbeiten, wenn du unglücklich bist. Cassandra kann es nicht. Es ist so einfach, wie es klingt.«
Entschuldigend sagte Allart: »Ich habe nicht gewußt, daß Cassandra so unglücklich ist.«
Renata blickte ihn an und schüttelte den Kopf. »Wenn du es nicht weißt, dann nur deshalb, weil du es dir nicht erlaubt hast. Das Klügste würde sein, sie fortzubringen, bis die Dinge zwischen euch bereinigt sind. Sie könnte zurückkehren, wann sie will. Wir brauchen ständig ausgebildete Arbeiter, und deine Ausbildung in Nevarsin ist sehr wertvoll. Was Cassandra angeht, glaube ich, daß sie das Talent hat, eine Überwacherin zu werden, oder sogar eine Technikerin, wenn die Arbeit sie interessiert. Aber nicht jetzt. Jetzt ist es an der Zeit, daß ihr beide euch trennt und uns nicht mit unerfüllten Bedürfnissen zersplittert.«
Bestürzt hörte Allart ihr zu. Sein eigenes Leben war so lange einer eisernen Disziplin unterworfen gewesen, daß ihm nie der Gedanke gekommen war, seine eigenen Bedürfnisse oder Cassandras Unglück könnten den Kreis auch nur im entferntesten stören. Aber er hätte es natürlich wissen müssen.
»Nimm sie, Allart. Heute abend wäre nicht zu früh.« Sich elend fühlend sagte Allart: »Ich würde meinen ganzen Besitz hergeben, wenn ich die Freiheit dazu hätte. Aber Cassandra und ich haben einander versprochen …«
Er wandte sich ab. Aber die Gedanken in seinem Kopf waren so deutlich, daß Renata ihn bestürzt ansah.
»Cousin, was konnte dich zu einem so vorschnellen Gelübde veranlassen? Ich spreche nicht nur von deiner Pflicht den Verwandten und dem Clan gegenüber.«
»Nein«, gab Allart zurück, »sprich nicht davon, Renata. Nicht einmal in Freundschaft. Davon habe ich allzuviel gehört, und ich brauche niemanden, um mich daran zu erinnern. Du weißt, welches Laran ich besitze, und welchem Fluch ich unterworfen war. Ich wollte es nicht in Söhnen und Enkeln fortleben lassen. Das Zuchtprogramm der Familien, das dich veranlaßt, von Pflicht gegenüber Verwandten und Clan zu sprechen, ist falsch. Es ist ein Übel. Ich werde es nicht weitergeben!« Er sprach heftig und versuchte, den Anblick von Renatas Gesicht wegzuwischen – nicht das, das von freundschaftlicher Betroffenheit zeugte, sondern das andere, mitleidsvolle, zärtliche und leidenschaftliche.
»Ein Fluch, in der Tat, Allart! Auch ich bin wegen des Zuchtprogramms voller Angst und Zweifel. Ich glaube nicht, daß irgendeine Frau in den Reichen frei von ihnen ist. Aber Cassandras Unglück, und deines, ist sinnlos.«
»Da ist noch mehr, und Schlimmeres«, sagte Allart verzweifelt. »Am Ende jeder Straße, die ich, wie es scheint, voraussehen kann, stirbt Cassandra, wenn sie mein Kind zur Welt bringt. Selbst wenn ich es mit meinem Gewissen vereinbaren könnte, ein Kind zu zeugen, das möglicherweise diesen Fluch trägt, könnte ich dieses Los nicht über sie bringen. Deshalb haben wir uns gelobt, getrennt zu leben.«
»Cassandra ist sehr jung und sie ist Jungfrau«, sagte Renata. »Das mag eine Entschuldigung dafür sein, daß sie es nicht besser weiß; aber mir scheint es verderblich, eine Frau in Unwissenheit über das zu halten, was ihr Leben so entscheidend beeinflussen kann. Sicher ist die Entscheidung, die ihr getroffen habt, zu extrem, denn selbst Außenstehenden ist offenbar, daß ihr einander liebt. Du kannst dir kaum im Unklaren darüber sein, daß es Wege gibt…« Sie wandte ihr Gesicht verlegen ab. Selbst zwischen Ehemann und Ehefrau wurde über solche Dinge nicht oft gesprochen. Auch Allart war verlegen.
Sie kann nicht älter als Cassandra sein! Im Namen aller Götter, wie kommt eine junge Frau, wohlbehütet aufgezogen, aus guter Familie und noch unverheiratet, dazu, über solche Dinge Bescheid zu wissen? Der Gedanke in seinem Kopf war deutlich, und Renata konnte nicht anders, als ihn aufzugreifen. Trocken erwiderte sie: »Du bist ein Mönch gewesen, Cousin, und einzig aus diesem Grund bin ich bereit zuzugestehen, daß du die Antwort auf diese Frage wirklich nicht kennst. Vielleicht glaubst du immer noch, daß es nur die Männer sind, die solche Bedürfnisse haben, und
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