Herrin wider Willen
worden.
Er setzte sich langsam auf und spürte seinen Schmerzen nach. Einige von den anderen begannen ebenfalls aufzustehen. Gähnten, räusperten sich, husteten, kratzten ihre Ungezieferbisse, ihre dreckigen Leiber, ließen Gase. Nicht anders als auf jedem Schiff, bloß waren ihm diese tierhaften Männer so zuwider, dass ihn alles ekelte, was sie taten.
»Sollte mich nicht wundern, wenn es heute losgeht«, sagte der eine zum anderen und sah sich zu Lenz um. »Zeit für letzte Gebete, feiner englischer Pisser.«
Lenz gönnte ihm keine Antwort, nur einen kalten Blick.
Beten tat er allerdings. Ein bescheidenes Gebet darum, dass ihm eine Waffe in die Hände fallen möge, wenn es tatsächlich losging. Unwahrscheinlich genug war das, denn diesmal war seine heimliche Hinrichtung eine fest vereinbarte Sache zwischen dem Oberst dieses Kaiserlichen Truppenteils und dem einflussreichen Katholiken Graf Ferdinand.
Was bis vor kurzem nur ein Verdacht gewesen war, wusste er nun sicher. Christopher hatte es für Zufall gehalten, dass die Lumpensoldaten damals ins Gasthaus kamen, Lenz war es gleich merkwürdig vorgekommen, wie zielgerichtet die Bande darangegangen war, sie mitzuschleifen. Hier und da aufgeschnappte spöttische Bemerkungen hatten ihn darauf gebracht, dass es sich um eine von seinem Onkel geplante Entführung handelte.
Es hätte keinen unverdächtigeren Weg gegeben, den störenden Neffen loszuwerden, als dafür zu sorgen, dass er im Kampfgetümmel zu Tode kam. Allenthalben wurden junge Männer zu den Soldaten gepresst, nie hätte jemand von Mord gesprochen, und schon gar nicht den erzkatholischen Grafen verdächtigt, da er Protestanten mit der Sache beauftragt hatte.
Beim ersten Mal war der Plan gescheitert. Diesmal hatte der alte Adlige die ihm treu ergebene katholische Seite eingespannt und bessere Vorkehrungen getroffen, damit ihm das Gut nicht wieder durch die Lappen ging. Lenz rechnete damit, dass eine Musketenkugel oder ein Hieb von hinten seinen Tod beschleunigen würde.
Danach musste Ferdinand nur noch mit Ada fertig werden. Lenz hoffte, dass sie sich seinen Wunsch zu Herzen nahm und sich auf den Weg nach Bristol machte, bevor Ferdinand ihr zu nahe kam. Seine Ada. Sahneweiße Haut. Wie Porzellan, würden manche sagen, aber das passte nicht zu ihr. Sie war wärmer als das, in jeder Hinsicht. Gott, hatte sie zärtliche Hände, war sie stark und sanft. Er sehnte sich so danach, sie wiederzusehen, dass ihm das Herz wehtat. Zu kurz war die Zeit gewesen, die er mit ihr hatte verbringen dürfen. Zu ungerecht kurz. Warum hatte er Zeit vergeudet? Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er sich eher um sie bemüht hätte.
Die Geräusche des erwachenden Heerlagers bestätigten die Ahnungen der Männer. Es würde an diesem Tag keinen Aufbruch geben, keinen gehetzten Marsch in dem verzweifelten Versuch, eine günstigere Position zu erreichen. Wer im nächsten Kampf sterben sollte, der würde es in der nahen Umgebung tun.
Er fragte sich, ob sie ihm wenigstens einen Knüppel geben würden. Es war sein dringendstes Anliegen, an etwas zu gelangen, womit er sich zumindest gegen die plumpsten Gegner wehren konnte. Eine Weile würde er noch warten, bis die Aufregung und das Durcheinander vor dem nahenden Kampf sich ausbreiteten, dann würde er einen der Trümpfe ausspielen, die von ihm niemand mehr erwartete.
Der Augenblick kam schneller, als er gedacht hatte. Schon Tage zuvor hatte er sich zwei Männer ausgesucht, die für sein Vorhaben infrage kamen. Einen von ihnen bekam er zur richtigen Zeit zu fassen. Er war ein Pikadier, dessen Wampe und Doppelkinn erkennen ließen, dass er sein persönliches Wohlergehen hoch ansetzte. Nach Lenz’ Einschätzung sogar höher als den absoluten Gehorsam gegen Befehle, die sich umgehen ließen. Zudem besaß er ein kleines Arsenal von Waffen, das sein verlaustes Weib für ihn auf ihrem Wagen verwahrte, wo sie mit drei Kindern hauste.
Lenz bot ihm den Ring an, der in seinem Hosenbeutel mit ihm gereist war, seit er ihn von Ada zurückbekommen hatte, und sein Hemd, das zwar mitgenommen aussah, aber aus teurem Leinen war. Dafür fragte er nach jeglicher Fechtwaffe, die der andere erübrigen konnte, und einem schlichten Kittel.
Der Dickwanst gab ihm, womit er selbst am wenigsten anfangen konnte: ein unhandliches Rapier mit schlanker, aber schwerer und schlecht geschärfter Klinge. Für Lenz war es mehr, als er zu hoffen gewagt hatte.
Das schmutzige sackleinene Kittelhemd war
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