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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Fersen von Adas grässlichem Paten, und auch Märtens hatte eben angekündigt, dass er einige Tage abwesend sein würde. Die drei hatten ihre Reisen in merkwürdiger Manier angetreten.
    Stechinelli hatte anderntags aufgekratzt die Dornse vom Herrn im Streit verlassen, mit einem Leuchten in den Augen, das Lenchen mit dem eines Geisteskranken verglich, den sie einmal im Käfig an der Stadtmauer gesehen hatte. Lobeke war gegen jede Gewohnheit abgereist, ohne eine einzige Anweisung oder Aufträge zu hinterlassen. Und Märtens war überrascht gewesen, als er von der Abreise erfuhr, gar fast zu Tode erschrocken, meinte Eilert.
    Da wunderte es nicht, wenn das Gesinde beunruhigt war und sich fragte, ob Lobeke schon vor seinen Gläubigern floh und sie deshalb alle binnen Kürze auf der Straße sitzen würden. Lene behauptete, dass das Lobek’sche Haus nun am Ende wäre, wo auch noch der Herr von Bardeleben wieder auferstanden und nach dem Gespräch mit dem Herrn so wütend aus der Tür gestürmt wäre.
    »Wir würden es Euch sehr danken, wenn Ihr uns mehr sagen könntet, Herr Carton«, sagte Eilert.
    Christopher schüttelte den Kopf. »Ich hatte die Hoffnung, dass du mir mehr sagen kannst. Wie lange ist es her, dass der Herr von Bardeleben hier war?«
    »Vier Tage. Gestern erst war übrigens jemand hier und hat nach Dierk gefragt.«
    »Sein Onkel?«
    »Nein, ein jüngerer Mann. Ich habe ihm erklärt, wo der Junge ist.«
    »Hat er nicht gesagt, wer er ist oder was er mit Dierk zu schaffen hat?«
    »Wie soll ich sagen … Er war kein gesprächiger Mensch, ein grimmiger Geselle. Sah aus wie ein Söldner und hätte den Auftrag, den Jungen zu finden. Mehr hat er nicht gesagt. War es falsch, ihm Auskunft zu geben?«
    »Ich weiß nicht. Aber Herr von der Wenthe wird schon auf Dierk aufpassen.« Christopher klopfte Eilert beruhigend auf die Schulter, obwohl er selbst ein so ungutes Gefühl hatte, dass sich seine Nackenhaare sträubten. Was er gehört hatte, klang bedrohlich. Lenz hätte gewusst, was nun zu tun war, er fand sich immer zurecht. So leicht fiel Christopher das nicht, er musste mehr wissen. »Erzählt mir einer nach dem anderen, was ihr in letzter Zeit hier gesehen und aufgeschnappt habt.«
    Nachdem alle Mitglieder des Lobek’schen Gesindes zu Wort gekommen waren, stand für Christopher fest, dass er nach Wenthe zurückmusste, um Lenz und Ada beizustehen. Und sei es nur als Zeuge auf ihrer Seite, wenn es um ihre Ehe ging. Was ihm noch zu tun blieb, war, den Mann ausfindig zu machen, der Dierk suchte. Mit etwas Glück war er noch in der Stadt.
     
    Lenz wachte in einem zerschlissenen Zelt zwischen elf stinkenden Männern auf. Dass man ihn darin schlafen ließ und nicht unter freiem Himmel, war dem Umstand zuzuschreiben, dass er von dort unmöglich fliehen konnte. Er hatte sein Bestes getan, um das geflickte Dach trotzdem als Annehmlichkeit zu betrachten. Da er seit dem Vortag jedoch nur noch mit einem Auge sehen konnte, gelang es ihm an diesem Morgen endgültig nicht mehr, etwas Gutes an seiner Situation zu finden.
    Es kam ihm vor, als hätte er sieben Tage damit verbracht, sich von morgens bis abends zu prügeln. Um alles hatte er sich schlagen müssen: um das, was er am Leib trug, um seine Würde, seine Haut, sein Leben. Eine ganze Kompanie war ermutigt worden, ihn als den mindersten Geworbenen in ihren Reihen zu betrachten. Sie wussten, dass er derjenige war, der im nahenden Gefecht als Erster dran glauben würde.
    Es gab nichts, was ihm nicht wehtat. Vor dem Aufstehen wusste er von keinem Muskel und keiner Sehne, ob sie noch ihren Dienst tun würden. Immerhin konnte er noch auf einem Auge sehen, damit war er nicht völlig wehrlos, wenn er das nächste Mal angegriffen wurde. Es war über die letzten beiden Tage weniger geworden, aber er glaubte nicht, dass die Lumpen Respekt vor ihm gewonnen hatten, auch wenn er besser ausgeteilt hatte, als er sich das früher zugetraut hätte. Der Kerl, dem er das geschwollene Auge verdankte, hatte jetzt eine gebrochene Nase und würde an diesem Tag auch nicht aufrecht gehen können.
    Trotzdem, am Respekt lag es nicht, wenn sie ihn in Ruhe ließen. Eher daran, dass sie sich für das näher rückende Gefecht schonten. Vielleicht auch daran, dass er sie zu langweilen anfing und sie glauben mussten, dass bei einem, der Wams, Hut und Handschuhe bereits gegen Essen getauscht hatte, nichts mehr zu holen war. Pferd und Sattelzeug waren ihm gleich am ersten Tag von den Hauptleuten abgenommen

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