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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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weniger angenehm, aber seinen Lodenmantel hatte er verbissen verteidigt und würde ihn nicht hergeben. Er brauchte ihn nicht nur, um das Rapier darunter zu verstecken, sondern um ihn später um den Arm zu wickeln und als Schild zu benutzen. Auch von den Stiefeln hatte er sich nicht getrennt. Die langen Fußmärsche wären mit schlechtem Schuhwerk kaum zu ertragen gewesen, und seine Überlebensaussichten hingen auch von gesunden Füßen ab.
    Er würde schnell entscheiden und handeln müssen. Das Schlimmste war die Gefahr im Rücken. Wenn sich die kleinste Möglichkeit bot, würde er zu den Schweden überlaufen und sich von dort aus gegen die Männer wenden, die ihn vor sich her in die Schlacht trieben. Natürlich würden sie versuchen, ihn zu erledigen, bevor er das tun konnte.
    Nachdem der dicke Pikadier ihm das Rapier gebracht und es heimlich von einem Mantel unter den anderen geschoben hatte, verhielt Lenz sich unauffällig. Ohne Worte ließ er sich mit den Männern, die seine Kompanie sein sollten, herumschicken und aufstellen. Die Kaiserlichen Trommler arbeiteten schon eine Weile, und aus der Ferne hörten sie als leises Dröhnen die schwedischen Trommeln.
    »Er da. Engländer! Der Oberst will Ihn sprechen.« Lenz sah den Boten mit gemischten Gefühlen. Tagelang hatte er um ein Gespräch mit dem Oberst gebeten. Nun allerdings wollte er ungern noch einmal scharf gemustert werden. Es konnte ihn das Rapier oder gleich das Leben kosten. Andererseits gab es noch immer die kleine Aussicht auf eine hoffnungsvolle Wendung, wenn er den Oberst auf dem richtigen Bein erwischte.
    »Glotz Er nicht! Bewegung!«
    Keine Wahl zu haben, konnte eine bequeme Sache sein, dachte Lenz, während er dem Hauptmann folgte. Zumindest musste man sich später nicht über seine eigene falsche Entscheidung ärgern.
     
    Die angespannte Warterei hatte Ada den Appetit geraubt. So war es ihr noch nie ergangen, sie war es eher gewöhnt, nie ganz satt zu sein. In diesen Tagen schenkte sie häufig Dierk das ihr zugemessene Brot, weil sie es nicht herunterbrachte.
    Jeden Augenblick war sie darauf gefasst, ans Tor gerufen zu werden. Als es endlich geschah, war es eine Erleichterung, obwohl der Besuch so unwillkommen war, wie er nur sein konnte.
    Stechinelli war zurück, und obendrein hatte er auch noch ihren Vater als Verstärkung mitgebracht.
    Allein sein Anblick vor dem Tor genügte, um das alte Gefühl von Schwäche in ihr wachzurufen. Ihr nervöser Zustand machte es nicht besser. Sie musste all ihre Kraft zusammennehmen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass sie ruhig und stark genug für die Begegnung war. Gemeinsam mit Ottman öffnete sie das Tor.
    Das kalte Grinsen, mit dem Stechinelli sie verhöhnte, ließ ihn wie einen Irren aussehen, jede Heiterkeit wirkte fremd an ihm. »Noch immer nicht zurück von seinen Geschäften, dein Gatte, was?«
    Ada überlief es kalt. »Habt Ihr etwas von ihm gehört?«
    Stechinelli lachte – ein Laut, der zu dem Eindruck eines Geistesgestörten passte, den er vermittelte. »Würden wir denn vor dir etwas von ihm hören, von deinem so geschäftstüchtigen Gatten?«
    Sie fing sich wieder. Nur keine Schwäche zeigen. »In diesen Zeiten wäre das möglich.«
    »Diesen mörderischen Zeiten, nicht wahr, in denen ein Geschäftsmann leicht unter die Soldaten und zwischen die Fronten geraten kann, meinst du das?«
    Stechinelli konnte sich schier nicht beruhigen vor Freude über seinen Witz. Adas Abscheu gab ihr neue Kraft. »Eben solche Zeiten. Da geht mancher verloren. Zu meinem Glück sind meine Verhältnisse geregelt und die Papiere dazu in meiner Hand. Es ist ja nicht der erste Gatte, der mir vorübergehend abhandenkommt. Obgleich ich bei diesem weit größeres Zutrauen habe, dass er den Heimweg findet.« Brüsk wandte sie sich ab und ging den Männern voraus ins Haus, während Ottman wieder Stellung auf dem Turm bezog.
    Ihr Vater schwieg und schätzte das Anwesen auf die gleiche Art ab, wie Stechinelli es bei seinem ersten Besuch getan hatte.
    In der Halle begegneten sie Luise, die eben mit dem Besen in den Kleinen Saal wollte. »Sei so gut und bring den beiden Herren eine Stärkung«, bat Ada sie.
    Sie öffnete die Tür zum Kleinen Saal und sah noch, wie Dierk mit dem Finger Brot- und Käsekrumen auftupfte. Bevor die Männer ihn hätten bemerken können, rutschte der Junge unter den Tisch und machte sich unsichtbar. Ada tat, als hätte sie nichts bemerkt.
    »Wenn Graf von der Wenthe tot ist, wirst du dich mit

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