Herrin wider Willen
die sie angingen, öffnete sie ihm das Tor.
Sie war sicher, dass Stechinellis Anliegen bedeutend sein musste, wenn er den Weg nach Wenthe allein und zu Ross auf sich nahm. Es war nicht schwer zu erraten, dass es mit Dietrich zu tun hatte. Dessen Brief war über Lüneburg gegangen, und wenn Eilert ihn nicht unbemerkt an sie weitergeschickt hatte, dann würden ihr Vater und Stechinelli über Dietrichs Auferstehung im Bilde sein.
Das Spiel um Macht und Vermögen hatte damit eine neue Wendung für sie genommen. Angesichts dessen konnte Ada sich nur fest an die Hoffnung klammern, dass Lenz noch lebte und sie es in seiner Abwesenheit schaffen würde, ihre zweite Ehe zu verteidigen.
Stechinelli schwieg, während sie ihn in den Kleinen Saal führte, aber seine glitzernden Augen sogen auf, was er sah. Ada konnte sich vorstellen, wie er gedanklich eine Liste des Inventars aufstellte. Vermutlich war er bereits enttäuscht, denn alles, was noch von Wert sein konnte, war versteckt.
Das Kostbarste waren ohnehin die Schuldscheine, und von denen würde er nichts erfahren.
»Wo ist dein Gatte?«, fragte er endlich.
Ada straffte die Schultern und wappnete sich. »In Geschäften unterwegs.«
»Wann erwartest du ihn zurück?«
»In den nächsten Tagen.«
»Soso. Ich hoffe, ihr seid zufrieden in eurer Verbindung?« Rastlos wanderte sein Blick, zerlegte ihre Kleidung, bohrte in den verschlossenen Kästen an der Wand, streichelte den Zinnleuchter auf dem Tisch.
»Voll und ganz zufrieden.«
Sie bot ihm einen Stuhl an, setzte sich und faltete die Hände im Schoß. Das Schweigen dauerte, bis er ebenfalls saß.
Vorwurfsvoll rieb er seine Finger aneinander. »Kalt ist es. Bietest du mir nichts an?«
»Sicher wird die Magd gleich Wasser bringen.« Du hast mit einem Schwedenhauptmann verhandelt, sagte sie sich, und das half. Sie fühlte sich ruhig und unerschütterlich.
Ihr Pate spürte ihre Ruhe, und sein Ton wurde prompt gereizt. »Es ist etwas vorgefallen, das dich zweifellos aus deiner eigensüchtigen Bequemlichkeit reißen wird. Dein erster Gatte ist wieder aufgetaucht. Und er hat bereits deinen Vater besucht, um zurückzufordern, was ihm gehört. Es ist eine Überraschung, dass er noch nicht hier ist. Wahrscheinlich wird er jeden Moment ans Tor klopfen.«
Ganz ruhig, dachte Ada. Soll er anklopfen. Sie wusste inzwischen, was sie tun würde. »Ich habe schon vor einer Weile einen Brief von ihm bekommen und erwarte, dass er mich aufsuchen wird. Habt Ihr den weiten Weg gemacht, um mir diese Neuigkeit zu bringen?«
Er verzog angewidert das Gesicht. »Ich habe wie immer keine Mühe gescheut, um dir und deinem Vater zu helfen. Du wirst in deiner Lage Unterstützung brauchen. Ich nehme an, du kannst einschätzen, welcher der Männer dir bessere Vermögensverhältnisse zu bieten hat? Vermutlich von der Wenthe, obgleich dieses Anwesen … nun, so oder so wird von Bardeleben eine Entschädigung für die verlorene Mitgift fordern. Dein Gatte wird hoffentlich imstande sein, sie zu zahlen?«
Ada schnaubte belustigt. »Ich wüsste nicht, warum er sich dazu bemüßigt fühlen sollte. Er ist es nicht, der meine erste Mitgift eingesteckt hat. Natürlich werden wir versuchen, eine vernünftige Einigung zu erzielen. Euch betrifft das allerdings nicht.«
Stechinelli stand auf, schob wütend seinen Stuhl zurück. »Ich merke wohl, dass mit dir in deiner verstockten, unverständigen Art wie üblich nicht zu reden ist, und werde meine Zeit nicht vergeuden. Ich kehre zurück, wenn dein Gatte wieder hier ist. Er wird Vernunft eher zu schätzen wissen.«
Ada erhob sich gemächlich und begleitete ihn zur Haustür.
Hans Flügge stand noch mit dem Pferd ihres Paten auf dem Hof, sodass der so schnell abreisen konnte, wie er hereingeschneit war.
Dietrich von Bardeleben war unterwegs nach Wenthe, doch wie meistens hatte er nicht den kürzesten Weg gefunden.
Schon oft hatte er in dunklen Wäldern kampiert, weil ihm auf seiner schrecklichen langen Odyssee etwas in die Quere gekommen war. Diesmal hatte er Heeresteilen ausweichen wollen, vor denen andere Reisende ihn gewarnt hatten. Unwegbares Gelände hatte ihn gezwungen, einen größeren Bogen zu schlagen als beabsichtigt, und der Umweg war immer länger geworden – er kannte das.
Da sein Orientierungssinn schlecht war, wusste er nicht einmal ungefähr, wie lange es noch dauern würde, das Gut seines Ehekonkurrenten zu erreichen.
Mit einem zotigen Söldnerfluch sattelte er in der Morgendämmerung
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