Herrin wider Willen
im Wald sein Pferd. Diese Kälte in den schmerzenden Gliedern vom Schlafen auf der nassen Erde hatte er nie wieder fühlen wollen. Was war er damals für ein junger, kopfloser Narr gewesen, als er unbedingt in den Krieg ziehen wollte.
Er konnte nicht mehr zählen, wie oft er sich das seitdem gesagt hatte, nicht nur, wenn er sich wieder einmal verirrt hatte.
Gotthard Lobeke verlor auf der Reise von Lüneburg nach Wenthe ein Viertel seines Gewichtes, so schwitzte er vor Angst.
Er wurde zu alt für solche Unternehmungen, er spürte es immer deutlicher. Noch nie war in dieser Gegend so viel zwielichtiges Volk auf den Straßen, in den Wäldern und auf den Feldern unterwegs gewesen. Es war wie eine Treibjagd, auf der er durch das aufgescheuchte Wild den Jägern entgegenritt. Gebetsmühlenartig wiederholte er die stumme Bitte, dass es ihm gelingen möge, unbemerkt durch ihre Reihen zu schlüpfen.
Natürlich waren es Soldaten, keine Jäger. Kaiserliche Truppen mit den Schweden im Nacken, hatte er sagen hören.
Es war zu spät, um nach Lüneburg umzukehren. Wenn es ihm gelang, sich an den Soldaten vorbeizuschleichen, würde er im Rücken der Heere sicherer sein als vor ihnen.
Das einzig Gute an der Lage war die kleine Hoffnung, dass Stechinelli irgendwo auf der Strecke geblieben war. Der hatte sich einfach auf den Weg gemacht, ohne sein Einverständnis einzuholen, ohne seinen Plan mitzuteilen. Da war das Schlimmste zu befürchten, und diesmal wollte Lobeke die Einmischung nicht zulassen.
Von Bardelebens Auftauchen war der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Wenn der Kampf um sein Geschäft noch mehr Verbrechen nötig machte, so wie Stechinelli meinte, dann wollte er ihn nicht weiterführen. Er fühlte sich alt und war es leid, sich mit dem hinterlistigen alten Intriganten abzugeben. Statt sich immer weiter in Gesetzesbrüche zu verstricken, würde er verkaufen, was vom Geschäft übrig war, und sich die Unterstützung seiner Tochter verschaffen, um sich zur Ruhe setzen zu können. Eine Hand wusch die andere. Wenn er ihr vor Gericht in ihrer Eheangelegenheit beistand, dann würde sie ihrem Vater gegenüber Dankbarkeit und Pflichtgefühl zeigen und ihm einen angenehmen Ruhestand ermöglichen. Dazu würde er sie schon bringen. Stechinelli und Märtens mochten hingehen, wo der Pfeffer wuchs. Wenn er kein Geschäft mehr hatte und Lüneburg verließ, dann hatte er von ihnen nicht mehr viel zu befürchten.
Es war nicht Christophers Plan gewesen, sich noch einmal in Lenz’ und Adas Leben einzumischen. Dennoch hatte es ihn von Wenthe aus nach Lüneburg getrieben. Dort hatte sein Herumschlendern ihn unweigerlich in die Grapengießerstraße geführt. Als er sich Lobekes Haus näherte, sah er Matthias Märtens herauskommen. Märtens erkannte ihn nicht und ging grußlos an ihm vorüber. Der unsympathische junge Kaufmann machte einen besorgten Eindruck.
Christophers verletzte Gefühle beruhigten und entwirrten sich allmählich, und er fragte sich, ob er tatsächlich so unter Liebesschmerz litt, dass er seinen besten Freund und die liebenswerteste Frau, die er kannte, weit hinter sich lassen musste.
Verletzt war er in der Tat, er fühlte sich von beiden abgewiesen und ausgeschlossen. Je mehr Abstand er gewann, desto deutlicher sah er jedoch, dass es nicht leidenschaftliches Verlangen gewesen war, das ihn zu Ada hingezogen hatte, sondern nur Zuneigung. Er hatte für sie sorgen wollen, solange sie schutzlos wirkte. Nun, da Lenz ihm die Aufgabe abgenommen hatte, fühlte er sich wie ein Schiff, bei dem alle Segel gesetzt worden waren und dessen Reise der Eigner im letzten Augenblick abgesagt hatte. Es dauerte einfach eine Weile, bis die Segel wieder gerefft waren und das Schiff ruhig ankerte.
Als er also Märtens in der Straße sah, wo Lobekes Haus stand, kam es ihm in den Sinn, dass er zumindest einmal Verbindung zu dem freundlichen Knecht aufnehmen konnte, der so hilfsbereit gewesen war – Eilert. Der würde vielleicht wissen, was Lobeke bezüglich Adas erstem Ehemann zu unternehmen gedachte.
Kurzentschlossen bog er in die Durchfahrt zum Hof ein. Eilert stand auf eine Schaufel gestützt vor dem Stall und unterhielt sich mit dem anderen Knecht, Knütter. Seine Lene stand auch dabei, knetete aufgeregt ihre Schürze. Alle drei sahen sie nicht weniger sorgenvoll aus als Märtens. Eilert entdeckte ihn zuerst, Christopher winkte grüßend.
Lobeke war nicht daheim, sondern am Vortag abgereist, auf den
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