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Herrin wider Willen

Herrin wider Willen

Titel: Herrin wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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Kräften hielt. »Was hat er denn an dem Tag für einen Fehler gemacht?«
    Falls Bitterkeit in Cartons Stimme lag, wurde sie von seiner Schwäche überdeckt. »Er ist ausnahmsweise blind meinem Wunsch gefolgt. Der Streit mit seinem Vater hatte ihn sehr aufgebracht. Das war ein Streit! Ich dachte, entweder bringt der Vater den Sohn mit giftigen Worten um, oder der Sohn den Vater mit dem Degen. Merkwürdig sind die Väter hierzulande, wenn Ihr verzeiht. Aber ich bin wohl verwöhnt. Mein Vater ist liebenswert.« Seine Stimme erstarb, und er atmete tiefer.
    »Möchtet Ihr noch etwas essen, bevor Ihr schlaft?«, fragte Ada leise.
    »Ich hab schon, danke«, flüsterte er.
    Viel konnte das nicht gewesen sein, stellte Ada mit einem Blick auf das volle Tablett fest. Sie wollte zulangen, da zwickte sie doch das Gewissen, und sie stand noch einmal auf. Zuerst breitete sie eine Wolldecke über Carton, dann beugte sie sich über ihren Gatten und beobachtete eine Weile dessen unregelmäßige Atmung. Sein gepflegter Bart verlor schon die Kontur. Die rauen Stoppeln ließen sich im Wachstum von der Schwäche des Mannes nicht aufhalten und hoben die kantigen Formen seines Kiefers hervor. Seine Lippen dagegen waren weich, wie sie wusste. Je länger sie sein Gesicht ansah, desto schneller schlug ihr Herz. Sie wollte ihr Möglichstes tun, um ihn am Leben zu erhalten, schwor sie sich, als sie auch über ihn eine Decke zog.

5
     
    Bange Tage und Nächte lang wusste Ada nicht, ob ihr Möglichstes genug sein würde, um Lorenz von der Wenthe zu retten. Sie wusch ihn, flößte ihm zu trinken ein, bettete ihn täglich frisch, kühlte ihn, wenn er im Fieber die Decken von sich stieß, und wärmte ihn mit heißen Steinen aus der Küche, wenn ihm vor Fieberfrost die Zähne klapperten. Ihr Vater hinderte sie nicht, nahm allerdings auch mit keinem Wort Anteil, ebenso wie Märtens, den Ada nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekam. Sie vermutete, dass beide abwarteten, ob ein natürlicher Tod des Kranken ihnen jede weitere Mühe abnehmen würde.
    Die ganze Zeit über war ihr Gatte nie wach genug, um mit ihm reden zu können. Christopher Carton dagegen fühlte sich nach viel Schlaf und stärkender Krankenkost schon am Ende des zweiten Tages so weit wiederhergestellt, dass er ein vermittelndes Gespräch mit Adas Vater führen wollte. Sie beauftragten Knütter, für sie darum anzusuchen, aber Gotthard Lobeke ließ ausrichten, er wüsste nicht, was er mit dem ungeladenen Herrn Gast zu reden hätte.
    Angesichts dieser angespannten und schwierigen Lage in Lobekes Haus ging Carton am dritten Tag mit Eilerts Unterstützung aus, um eine bessere Herberge zu finden, kehrte jedoch erfolglos zurück. Für sich allein hätte er ein Wirtshausbett gefunden, das er mit nur einem anderen Gast hätte teilen müssen. Zur Pflege eines Kranken fand sich kein guter Ort. Gemeinsam mit Ada kam Carton zu dem Schluss, dass es unter diesen Umständen besser war, wenn auch er blieb.
    In der folgenden Nacht schlief von der Wenthe ruhig, und am Morgen war das Fieber gebrochen.
     
    Lenz wusste, dass es ihn böse erwischt hatte, als er zu sich kam. Was genau ihm zugestoßen war, wusste er nicht.
    Er fühlte sich wie gekielholt – als sei er der Länge nach unter einem seepockigen Schiffsrumpf hindurchgezogen worden: zu dreiviertel ertrunken, und kein Fetzen heile Haut mehr. Das Atmen tat weh, das Schlucken, und jede andere Bewegung hätte sicher geschmerzt, wäre er zu einer einzigen fähig gewesen. Schwach, wie er war, blieb er machtlos auf der Seite liegen. Immerhin konnte er die Augen öffnen, wenn er auch nicht verstand, was er sah.
    Es war dämmrig in der fremden Kammer, als wäre es Morgen oder Abend, aber das mochte am Schweineblasenfenster liegen. Honigfarbene Nadelholzvertäfelung vom Boden bis zur Decke, mit ornamentalen Schnitzleisten verziert. Handwerklich schön gemacht, aber nicht kostbar. Der Boden war aus Lärchendielen, ein Teppich, der ihn sonst wohl bedeckte, lag aufgerollt vor einem kleinen Tisch beim Fenster. Ein solides und schlichtes braunes Tischchen, wie der ungepolsterte Stuhl, der dazugehörte.
    Auf dem Tisch stand ein Tablett mit Zinntellern, Steingutschüssel, Bechern und einem Brotknust, der ihn zu der Überlegung verleitete, ob er hungrig war. Die Vorstellung, etwas zu essen, verursachte ihm jedoch Übelkeit.
    Er hörte einen Mann schnarchen. Den Fehler, sich nach ihm umzusehen, machte er nicht, sondern blieb bei dem, was er ohne weitere Anstrengung

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