Herrin wider Willen
überraschter war Ada, als Christopher sie nach dem ersten Wortwechsel mit seinem genesenden Freund stürmisch in die Arme schloss und drückte, als wäre sie seine Herzliebste. Sie zog die Luft ein vor Schreck, sodass er sie schnell wieder losließ und rot anlief. »Verzeiht mir. Es überkam mich.«
Lächelnd drückte sie seine Hand, und von da an war er so guter, übersprudelnder Laune, dass Ada ihn nicht wiedererkannte.
Er war melancholisch und voller Schuldgefühle gewesen, seit er ihr am Tag nach ihrer Ankunft in Lüneburg erzählt hatte, was in der Schlacht passiert war. Dabei fand Ada, dass er sich für sein Verhalten auf dem Schlachtfeld keineswegs schämen musste. Sie hatte sich nicht getäuscht, als sie annahm, dass er ein ausgezeichneter Reiter sei. Bereits vor der Attacke hatte er es so aussehen lassen, als hätte er Schwierigkeiten mit seinem aufgeregten Pferd. Es überraschte die anderen Männer daher nicht, dass er die Zügel verlor und sein Pferd mit ihm durchging. In rasendem Galopp brachte es ihn quer zur Richtung des Angriffs an den Rand des Geschehens.
Lenz hatte Christopher dazu geraten, ihm aber gleichzeitig klargemacht, dass mit diesem Trick nur einer von ihnen durchkommen könne. Er selbst war bei der vorpreschenden Reiterei geblieben, die die Besatzung der gegnerischen Kanonen überwältigen sollte. Eine aussichtslose Strategie, hatte Lenz Christopher erklärt, und bald hatten sich seine Worte bestätigt. Die Mannschaften der Geschütze und vor allem die Kaiserlichen Musketiere schossen die angreifenden Reiter so schnell von den Pferden, dass der Gegner es nicht einmal für nötig hielt, ihnen die eigenen berittenen Kürassiere entgegenzuschicken. Sie waren geschlagen, bevor sie eine einzige feindliche Kanone auch nur deutlich erkennen konnten.
Christopher hatte Lenz aus der Ferne mit dem Pferd stürzen sehen und war umgekehrt, um ihm zu helfen, dabei war er jedoch selbst von einer Musketenkugel gestreift worden. Als er den bewusstlosen Freund erreichte, konnte er nur feststellen, dass er allein und mit seinem verletzten Arm keine Aussicht hatte, ihn zu retten. Helfer fanden sich unter den mittlerweile kopflos fliehenden oder mit weißen Lappen in der Hand zum Feind überlaufenden Soldaten nicht.
Die Hilflosigkeit, die er empfunden haben musste, hatte ihm beim Erzählen wieder im Gesicht gestanden. Das Wissen, den Freund trotz der Schwierigkeiten geborgen zu haben, half ihm nicht, solange der noch mit dem Tod rang. Er gab sich die Schuld dafür, dass sie überhaupt unter die Soldaten geraten waren. Lenz hatte mit dem Einspänner und ihren Pferden bis Munster durchfahren wollen. Christopher hatte auf eine Pause in Hermannsburg gedrängt, wo sie auf einen Teil der Bande gestoßen und in Reibereien hineingezogen worden waren. Am Ende war ihnen nichts anderes übriggeblieben, als sich von den groben Kerlen zum Rest der Armee mitschleifen zu lassen.
Nun, da Lenz über den Berg war, fiel die Niedergeschlagenheit von Christopher ab. Voll neuer Tatkraft ging er am folgenden Tag aus, um Erkundigungen darüber einzuholen, welche Möglichkeiten sie für ihr weiteres Vorgehen hatten und wie sie am günstigsten an Bargeld kommen konnten.
Ada nutzte die Zeit, in der er abwesend war, um die Briefe und Papiere zu lesen, die sie in Verwahrung hatte. Dies in Christophers Gegenwart zu tun, wäre ihr unangenehm gewesen. Zu ihrem Leidwesen war sie tatsächlich schwach im Lesen, wenn sie auch durch viel Übung besser vorankam als früher.
Sie öffnete das Fenster, um mehr Licht hereinzulassen, überzeugte sich, dass ihr Gatte schlief, und setzte sich.
Geehrter Vater,
hoffend, Ihr möget Euch wieder besserer Gesundheit erfreuen, setze ich Eure gräflichen Gnaden hiermit von meinem Beschluss in Kenntnis, mich Eurem väterlichen Rat und Wunsch zu beugen und eine angemessene Ehe zu schließen.
Solches ist geschehen am zehnten May, mit der ehrbaren Wittib Konrade Christiana Henriette von Bardeleben, geborene Lobeke aus Lüneburg. Der Ehekontrakt wurde nach Brauch und Gesetz vor Zeugen eingetragen in das Kontraktenbuch zu Ebstorf.
Eurem Willen ist somit Genüge getan, möge es Eurer Zufriedenheit dienen.
Achtungsvoll
Konstantin Lorenz Aegidius von der Wenthe
Weder erwähnte er seine Notlage, noch fügte er ein persönliches Wort bei. Ihr Gatte musste zu seinem Vater ein wahrhaft kaltes Verhältnis haben, folgerte Ada. Andererseits mochte es sein, dass er geglaubt hatte, der Brief würde seinen Vater nicht
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